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Stetig ist der Wandel

Farbe & Inspiration
Stetig ist der Wandel

Die Vorlieben ändern sich und kommen doch immer wieder – das gilt auch für die Farbpräferenzen. Um zu wissen, welche Farben morgen aktuell sein werden, muss man zunächst in die Vergangenheit blicken. Genau das haben das Institute International Trendscouting und Caparol getan.

Armin Scharf

Alles ist im Fluss – auch die ästhetische Wahrnehmung und Präferierung. Besonders ausgeprägt sind die Verschiebungen bei der Kleidung, hier wird die Leitstilistik bekanntlich saisonal neu erfunden. Besonders trefflich lassen sich Designtrends bei Fahrzeugen betrachten – sind doch gleich mehrere Autogenerationen nebeneinander auf den Straßen unterwegs. Gerade hier zeigt sich auch die Vorliebe für bestimmte Farben, das allmähliche Verschwinden und vermehrte Auftauchen bestimmter Bunttöne oder Nuancen.
Auch die Raumgestaltung unterliegt einem stetigen Wandel – neben der Möblierung, den Stoffen und Materialien wechseln natürlich auch die Farben. Weniger schnell im Wohnbereich, deutlich schneller in Läden oder gastronomischen Einrichtungen. Gerade hier übernimmt die trendgerechte Gestaltung eine wesentliche Marketing- und Differenzierungsrolle. Wohl dem also, der die aktuellen Trends kennt und sogar eine Prognose für die Zukunft abgeben kann.
Trends auf der Spur
Trends zu erkennen, erfordert zunächst Beobachtung – und zwar ein breit angelegtes Durchforsten von Publikationen, Messen, Innovationen. Gepaart mit Sensibilität und Intuition, lässt sich so aus vielen kleinen Mosaiksteinchen ein Bild vom Stand der Dinge ableiten und kreativ übersetzen. Seit geraumer Zeit versuchen Unternehmen und Institute durch das so genannte Trendscouting systematisch die aufkommenden Trends zu entdecken und nutzbar zu machen – denn wer im schnelllebigen Konsumgüterbereich, etwa bei Mobiltelefonen, rasch neue Strömungen aufgreift, bleibt erfolgreich am Markt. Trends erkennen und umzusetzen ist also hartes Business geworden.
Unterschiedliche Trendzyklen
Und weil die Farbe ein ausgesprochen emotionales Medium ist, kommt ihr bei der trendgerechten Gestaltung eine Schlüsselrolle zu. Hersteller von Fahrzeuglacken haben dies seit langem erkannt und entwickeln alljährlich neue Kollektionen, basierend auf globalen Beobachtungen. Im Baubereich allerdings sieht die Sache etwas anders aus. Das mag daran liegen, dass Architekturgestaltung längeren Zyklen folgt, aber auch daran, dass die Ausprägung von Farbtrends schwächer ist, weil hier stets starke Rahmenbedingungen einfließen. Beispielsweise der Baubestand, Stadtbildsatzungen oder einfach nur die mitunter eingeschränkte Umsetzungsfähigkeit von bestimmten Tönen in langlebige Beschichtungen. Verglichen damit zeigt sich der Innenbereich dynamischer, wechselbereiter und lebendiger.
Systematische Analyse
Das FarbDesignStudio von Caparol wollte nun den Trends systematisch auf den Grund gehen und in konkrete Möglichkeiten für Gestalter umsetzen. Als Partner nahm man das Institute International Trendscouting (IIT) an Bord, das an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim angesiedelt ist – also dort, wo Farbdesigner ausgebildet werden.
Das IIT unter Leitung von Professor Markus Schlegel analysierte Räume ab 1955 bezüglich ihrer Farbigkeit, ihrer Materialitäten, Dekore und Oberflächen, meist anhand von originalen Publikationen. „Wir haben so den Zyklus von bunt nach unbunt und bunt einmal durchschritten“, so Markus Schlegel. Denn klar ist: Farben und Strukturen folgen zyklisch verlaufenden Phasen. Nach langen farbintensiven Phasen wächst die Präferenz für unbunte Töne, helle Stimmungen werden von dunkleren gefolgt.
Im Frühjahr 2004 startete das große Projekt, die ersten Erkenntnisse lagen im Herbst vor. Aus den Massen von zeitgenössischen Aufnahmen konnten zwei Hauptströmungen identifiziert werden: Eine Tendenz zu Hochwertigkeit, Authentizität und Langlebigkeit auf der einen Seite. Dem gegenüber steht die Hinwendung zu schnelllebigen, dafür prägnanten, deutlich an der Mode orientierten Gestaltungen. Bei allen Betrachtungen, das muss an dieser Stelle erwähnt werden, konzentrierte man sich auf den deutschen Raum – denn trotz aller Globalisierung sind die stilistischen Vorlieben selbst im europäischen Umfeld mitunter sehr unterschiedlich.
Im Herbst 2005 begab man sich am IIT in die zweite Scoutingrunde, deren Resultate die Analysen des Vorjahres untermauerten. Gleichzeitig konnte bereits eine Fortentwicklung festgestellt werden: So nahmen im Vergleich mit dem Vorjahr die schwarznahen Nuancen von Blau und Braun zu. Auch härtere Kontraste ließen sich feststellen.
Vier Themenwelten
Soweit die Analyse – mit der sich jedoch nur begrenzt konkret arbeiten lässt. Zusammen mit dem IIT ging nun das Caparol Farbstudio daran, aus der Farbenvielzahl dominante Bereiche herauszudestillieren: „Wir haben dann Farbskalen zu Themen wie Mode, Design oder Architektur erstellt“, erläutert Markus Schlegel. Diese Auswahl unterzog man einer weiteren Reduzierung, um noch prägnantere Aussagen zu gewinnen. Am Ende blieben vier Themenwelten, repräsentiert von jeweils fünf Farben. Diese Welten nennen sich „Deluxe“, „East“, „Fancy“ und „Punky“ – Bezeichnungen, die schon auf die einzelnen Charaktere verweisen.
An dieser Stelle brechen die meisten Trendanalysen ab, bei Caparol ging man noch eine Stufe weiter und transportierte die Erkenntnisse auf Oberflächen, Strukturen und Materialien für den Innenraum. „20 bis 25 Oberflächen je Trendwelt haben wir neu entwickelt“, beschreibt Studioleiterin Margit Vollmert die eng mit der Anwendungstechnik laufende Arbeit. Am Ende lagen 500 verschiedene Muster vor, von denen dann letztlich 80 in die finale Kollektion Eingang fanden. Eine harte Selektion, gewiss – aber viele der Kreationen schieden im Praxistest aus, etwa weil sie sich auf großen Flächen nicht problemfrei umsetzen ließen.
Diese 80 Farb- und Oberflächenvariationen entstanden „durch die Kombination der fünf Farben mit vier verschiedenen Oberflächen pro Themenwelt“, so Sabine Hoffner vom FarbDesignStudio. Und jede Kreation sollte natürlich die Themenwelt ästhetisch aufnehmen.
Beispiel Fancy
Die Themenwelt Fancy steht für positive, experimentelle und frische Interieurs. „Von den fünf Farbtönen transportieren vor allem die Akzenttöne Orange, Hellblau und Pink den Leitgedanken.“ Margit Vollmer weiter: „Zwei helle Begleiter, ein seidiger, zart anmutender Fliederton und ein helles, kühltoniges Grün bringen zusätzliche Frische. So wird Fancy für den Raum umsetzbar.“ Fancy stehe auch für Sinnlichkeit mit technisch-synthetischen Akzenten, daher findet sich hier Glanz neben tiefem Matt und Lasuren mit Perlglanzpigmenten.
Trendwerkzeuge
Um in die Trendwelten einzutauchen, sind alle Ergebnisse in einem handlichen Buch dokumentiert, das als Arbeitsgrundlage wie auch zur Präsentation dienen kann. Hier finden sich auch Visualisierungen der Trends und die Ableitungswege aus den Analysen.
Weil es sich bekanntlich mit originalen Farb- und Oberflächenmustern noch besser gestalten und kommunizieren lässt, sind alle Oberflächen und Farben in einer Musterbox versammelt – rückseitig mit exakten Beschreibungen und Angaben zu den besonderen Aspekten der Oberfläche ergänzt.

DAS IIT
Weil die Verbindung von Lehre und Praxis eine der Maximen von Prof. Markus Schlegel ist, versucht er möglichst viele „Realitätsbezüge“ für die Studenten an der Hochschule für Angewandte Kunst und Wissenschaft in Hildesheim zu schaffen. Das Institute International Trend-scouting ist ein wesentlicher Baustein dafür; es leistet semester- und auch fachübergreifende Forschung, etwa für Unternehmen. Die so gewonnenen Drittmittel kommen wiederum der Lehre zugute. Angesiedelt ist das IIT an der Fakultät Gestaltung, im Segment Colour- and Surface-Design.
Die Trendstudie für Caparol ist das erste umfangreiche Forschungsprojekt des IIT, beteiligt waren in der ersten Phase rund 20 Studenten, in der zweiten bis zu acht Studenten, die intensive Umsetzung schließlich organisierten und begleiteten zwei Studentinnen.
Weitere Informationen zum IIT: HAWK Fakultät Gestaltung, Kaiserstr. 43–45, 31134 Hildesheim www.instituteinternational
trendscouting.de
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