Startseite » Allgemein »

Über die Farbkarte hinaus denken

Allgemein
Über die Farbkarte hinaus denken

Die Architektur bleibt farbig – beste Aussichten also für kompetente Gestalter und engagierte Maler. Vorausgesetzt, sie gehen mit Kreativität an den Markt – sagt Professor Markus Schlegel.

Die deutsche Bauwirtschaft liegt am Boden – wie geht es den Farbgestaltern?

Nicht unbedingt schlecht. Denn langsam wächst bei Investoren und Bauherren das Bewusstsein für geplantes Gestalten – und damit auch für die Farbe. Drei Eckpunkte sprechen für die Farbe: erstens die Veränderung des Wertesystems zurück zur Qualität; zweitens der Wunsch nach Wertsteigerung für Immobilien und drittens die momentane Buntphase.
Ist dies nicht ein wenig zu optimistisch betrachtet?
Zugegeben, momentan handelt es sich noch um ein eher zartes Pflänzchen, nach wie vor haben vor allem Gemeinden kaum Etats für Farbplanungen. Daher muss beständig darauf hingearbeitet werden, dass die Farbe wieder zum festen Bestandteil des Bauens wird. Noch immer sind Investoren technisch orientiert und müssen von der emotionalen Komponente der Farbe überzeugt werden.
Was können Malerbetriebe dazu bei-tragen?
Sie sollten den Dialog suchen mit Architekten, Investoren, Bauherren und der Wohnungswirtschaft. Vor allem zusammen mit Architekten kann man Druck machen zugunsten guter Gestaltungen.
Die deutsche Industrie lebt vom Export – wäre das auch für Farbgestalter ein Weg?
In der EU sehe ich mittelfristig Chancen, doch bestehen in vielen Ländern und Regionen gewachsene Strukturen und Gestaltungspräferenzen. In den Beneluxländern zum Beispiel arbeiten sehr gute Gestalter, dort ist das Feld besetzt. Für Farbgestalter sehe ich da wenig Potenzial, eher für Handwerker. Und überhaupt: Wer sich auf dem deutschen Markt nicht positionieren kann, wird dies auch im Ausland nicht schaffen.
Wo also sollte sich der Farbgestalter engagieren?
Ich sehe große Chancen für Partnerschaften und so genannte strategische Allianzen, vor allem mit Architekten. Beispiele für solche Kooperationen gibt es ja bereits: Man denke nur an Erich Wiesner und Otto Steidle oder Adolf Krischanitz und Oskar Putz in Österreich. Voraussetzung ist aber die gezielte Ansprache von Architekturbüros und die Fähigkeit, deren Sprache zu sprechen. Man muss den Architekten klar machen, dass sie sich durch die bewusste Integration der Farbe von ihren Kollegen absetzen können. Das sollte eigentlich im knallharten Architektenmarkt ein ausreichendes Argument sein. Das aber setzt eben voraus, dass der Farbgestalter oder Maler auf den Architekten zugeht.
Über welche Kompetenzen sollte also ein Farbgestalter verfügen?
Zunächst sollte er in der Lage sein, über Farbtonkarten hinaus zu denken und sich anderen Feldern öffnen, also dem Produktdesign, dem Grafikdesign, der Kunst und der Kultur im weitesten Sinne. Er benötigt eine umfassende Urteilsfähigkeit in allen Fragen der Ästhetik, der Stilistik. Dies ist die Basis, auf der er dann seine Schwerpunkt-Kompetenz aufbaut.
Wie steht es um die soziale Kompetenz?
Es reicht tatsächlich nicht aus, mit Architekten über Materialien, Grundrisse oder Details sprechen zu können. Der Farbgestalter ist in vielen Fällen ein Mittler und Moderator, der zwischen den einzelnen Gruppen vermittelt und Interessen zusammenführt. Dieser Aspekt ist sogar mitunter wichtiger als die eigentliche Entwurfsarbeit.
Farbe ist Geschmackssache, heißt es fälschlicherweise. Wie geht der Gestalter damit um?
Jede Farbgestaltung muss begründbar sein – kann der Gestalter seine Idee und seine Lösung gegenüber Gremien oder Architekten nicht verständlich machen, hat er ein Problem. An der Hochschule in Hildesheim üben wir genau diesen Aspekt mit den Studenten immer wieder.
Was also sollte ein junger Farbgestalter beachten?
Egal, ob er Abgänger eine Hochschule ist, aus dem Malerhandwerk stammt oder Künstler ist – er muss seine eigenen Stärken kennen und diese gezielt ausbauen. Eine realistische Selbsteinschätzung ist unabdingbar, um sich den vorhandenen Markt zu erschließen. Dabei sollte man ebenso kreativ sein wie bei der eigentlichen Entwurfsarbeit. Außerdem ist die Offenheit für alle Gestaltungsdisziplinen Voraussetzung, selbstverständlich auch der Besuch von Kongressen oder Messen, die den gewählten Kompetenzschwerpunkt tangieren.
Benötigt die Fassade der Zukunft überhaupt noch Gestalter?
Natürlich. Zum einen haben wir da das Bauen im Bestand, ein Dauerbrenner für lange Zeit. Zum anderen beobachten wir, dass namhafte Architekten vermehrt Fassaden realisieren, die einen Showeffekt haben. Wir nennen das Designfassaden, was nicht abwertend gemeint ist, sondern die Aufwertung von der rein funktionalen zur vielschichtigen, erzählenden Hülle beschreibt. Vorreiter sind Büros wie Herzog de Meuron oder Sauerbruch Hutton. Auch dieser Trend bietet neue, große Chancen für Gestalter.
Und welche Perspektiven bieten sich Malerbetrieben?
Für Unternehmen, die ihr Handwerk beherrschen, steht die Zukunft weit offen. Wer Wertsteigerung, Exklusivität und technisch einwandfreie Realisationen bieten kann, dazu noch den richtigen Ton zum Kunden findet, der braucht sich eigentlich wenig Sorgen zu machen.
Das Interview führte Armin Scharf.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de