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Farbe und Architektur

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Farbe und Architektur

Farbe und Architektur
Foto: Klaus Friesch

Teil 8: Die Beziehung von Farbe und Material ist ambivalent und die Gestaltungstraditionen sind durchaus uneinheitlich.

Autor | Fotos und Skizzen: Klaus Friesch

Quer durch die Architekturgeschichte ist feststellbar, dass die optische Veränderung von Oberflächen durch applizierte Farbigkeit ein häufig eingesetztes Gestaltungsmittel im Sinne der Schmuckfunktion ist. Architektur und damit auch Farbe eignen sich hervorragend als Zeichen von Macht und Einfluss. Dies zeigt sich sowohl in der Erhabenheit von Sakralbauten als auch bei Profanbauten zur Selbstdarstellung einer finanziell potenten Bauherrschaft. Unter Aufbietung seltener teurer Pigmente, der Ausreizung der jeweiligen technischen Möglichkeiten hinsichtlich der erzielbaren Buntheit wird applizierte Farbigkeit bis hin zu Form- und Materialimitationen intensiv eingesetzt.

Materialehrlichkeit

Erst vor dem Hintergrund einer im späten 18. Jahrhundert aufkommenden Strömung der Einfachheit und Natürlichkeit in der Architektur sowie der Stilisierung einer vermeintlich farblich reduzierten, stark materialbetonten Eigenfarbigkeit antiker Ruinen im Klassizismus führt der Weg hin zu einer Reduzierung der Farbigkeit im Fassadenbereich. Häufig wird die Beschränkung der Bunttöne auf den Bereich der Steinfarbigkeit hin zu vergrauten, eher hellen Nuancen vorgenommen.

Unabhängig von einzelnen, immer wieder ins Spiel gebrachten eher polychromen Farbinterpretationen im 19. und 20. Jahrhundert zeigt sich bei vielen Bauten eine bis heute anhaltende Grundtendenz in der Beziehung zwischen Farbe und Material. Diese Verbindung von Material- und Farbcharakteristik kann auch mit dem Begriff Materialehrlichkeit benannt werden.

Baumaterialien und Farbigkeiten

Baumaterialien und Oberflächen besitzen über ihre Materialität durchaus charakteristische Eigenschaften. Exemplarisch sei Stahl erwähnt. In der Herstellung ist er sehr präzise formbar und als Rohmaterial eher dunkel, grau-blau matt. Beim Entwerfen ist er aufgrund seiner statischen Eigenschaften ideal geeignet für filigrane Konstruktionen. Stahl fühlt sich durch seine spezifische Wärmeleitfähigkeit kühl an und seine Härte und Stabilität sind sprichwörtlich. Daher werden ihm Charaktereigenschaften in Form von Adjektiven wie präzise, kühl, hart, stabil, filigran zugeschrieben.

Nun bietet sich aus eingangs beschriebener Logik der Ansatz an, ein solches Material – welches aus Korrosionsgründen im Außenbereich zwingend beschichtet werden muss – mit einem Farbton deckungsgleicher Charakteristik zu lackieren. So kommen bei Stahlbauteilen häufig kühle, eher dunkle und vergraute oder unbunte Farbnuancen zum Einsatz. Bei Eisenglimmerlacken liefern Eisenoxide neben einem hohen Korrosionsschutz auch die typische metallische Optik.

Ein Beispiel für eine solche Farbgebung ist ein dunkles Blau in der RAL Classic Kollektion mi der Nummer 5011 und dem Suggestivnamen Stahlblau. Grelle warme Farbtöne oder Violett mit seiner farbpsychologisch völlig entgegenstehenden Farbcharakteristik des Unbestimmten und Transzendenten würden bei Stahlbauteilen befremdlich und irritierend wirken.

So ist auch die oben erwähnte und seit dem späten 18. Jahrhundert auftretende Grundtendenz zur Steinfarbigkeit bei mineralischen Untergründen, d. h. Putzmörteln zu erklären. Kalke, Gipse, Zemente und Sande bringen durch ihre Eigenfarbigkeit die Richtung schon mit. Putzmörtel wird so in den Kanon der fassadenwürdigen Oberflächen aufgenommen und bildet in Verbindung mit Sockeln, Pilastern, Fenstergewänden, Lisenen und Gesimsen aus Naturstein eine fein abgestimmte Wirkung der „Steinfarbigkeit“. Dies funktionierte auch nach dem Wegfall restlicher Natursteinbauteile im 20. Jahrhundert bei reinen Putzfassaden und prägte damit unsere Vorstellung von mineralischen Oberflächen.

Für intensiv farbig behandelten Naturstein gibt es etliche gut dokumentierte Beispiele. Der Limburger Dom wurde in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts nach Befundanalyse farbintensiv restauriert. Eine für unser heutiges Auge eher ungewohnte Farbfassung. Gegenwärtig erkennen wir in Natursteinen sehr teure Baumaterialien, die so als Besonderheit eher in ihrer Materialeigenfarbigkeit gezeigt werden.

Farbintensive Putzflächen, deckend beschichteter Beton oder auch Natursteinoberflächen, zumal noch in kräftigen und untypischen Bunttönen, wirken im Sinne der Auffassung von Materialehrlichkeit heutzutage störend.

Bei Holz zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Hier wird aus Schutzgründen häufig mit deckenden Beschichtungen gearbeitet und die Architekturgeschichte ist bis in die Gegenwart voll von kräftiger Farbigkeit, sei es an historischen Bauten, bei der Bemalung des Fachwerks oder bei modernen Gebäuden mit Holzverschalungen aus Brettern oder Platten.

Zusammenfassend lässt sich die These aufstellen, dass nach dem gegenwärtigen Zeitgeist in der Architektur unter dem Gesichtspunkt der Materialehrlichkeit, der Qualität des Farbträgers in seiner Struktur, Plastizität und Stofflichkeit durch die Farbgebung nicht entgegengewirkt werden sollte. Begründete, auf Befunden basierende Abweichungen tragen den unterschiedlichen historischen Auffassungen zur Beziehung von Farbe und Material Rechnung und sind daher nicht nur legitim, sondern im Sinne einer sensiblen Restaurierung von historischen Fassaden notwendig.

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