Startseite » Betrieb & Markt »

Top oder bankrott

Betrieb & Markt
Top oder bankrott

Günter Schmitz hat ein Ziel: Bis spätestens 2020 möchte er sein Unternehmen „Coplaning“ zum besten Unternehmen Europas machen. Daran arbeitet er mit Leidenschaft. Welche ungewöhnlichen Maßnahmen er dabei ergreift, darüber gab er dem Malerblatt in einem Interview Auskunft.

Herr Schmitz, bevor Sie jemanden einstellen, laden Sie nach Möglichkeit den Lebenspartner zum Vorstellungsgespräch mit ein. Warum? Meist ist der Lebenspartner der entscheidende Punkt. Unsere Verkäufer beispielsweise haben nur an einem Samstag im Monat frei. Wenn nun die Partnerin einen Job hat, der am Freitagnachmittag um 14 Uhr endet, dann wird das nichts. Beides liegt zu weit auseinander. Das ist dann aber nicht schlecht, es passt nur einfach nicht zusammen.

Sie beugen damit möglichen Eheproblemen vor. Ja genau, denn die Probleme würden kommen. Ich, als Unternehmer, bin aber nicht dafür zuständig, dass jemand Probleme bekommt, sondern dass er sich wohlfühlt. In Zukunft werden wir noch viel mehr auf den einzelnen Mitarbeiter eingehen. Wir fragen ihn:, „Wie sieht deine optimale Arbeitsstelle aus, wenn du sie malen könntest?“ Jeder hat da ein anderes Bild vor Augen. Ich werde in Kürze von jedem Mitarbeiter sein Bild haben und jedes wird unterschiedlich sein.
Wie kriegen Sie das unter einen Hut? Mit einem organischen System. Je organischer sie werden, desto mehr Freiheit erhält der Mitarbeiter – aber auch mehr Verantwortung. Verantwortung und Freiheit zu kombinieren, da liegt der Schlüssel begraben.
Und wenn ein Mitarbeiter künftig nur noch sechs Stunden am Tag arbeiten möchte? Dann rechne ich dagegen, was ich dafür brauche. Und dann arbeitet er nur noch sechs Stunden.
Sie würden es also akzeptieren und sagen „Ja, ich kann dich verstehen. Aus den und den Gründen arbeitest du künftig weniger“? Ich brauche keinen Grund. Allein dass ich den Grund wissen will, ist schon falsch. Wenn ich einen Grund wissen will, will ich die Herrschaft über ihn haben und er gerät in eine Rechtfertigungshaltung. Jeder Mitarbeiter hat seine persönliche Situation und mitunter auch seine individuellen Probleme: Beziehungsprobleme und immer öfter auch Ehescheidungen. Wir haben heutzutage einen Mix von Komplexität draußen, bei den Menschen, wie wir sie noch nie hatten. Und diese Menschen, die finden keine passenden Arbeitsstellen mehr, sondern nur noch dominante Handwerksunternehmen, die nach fixen Regeln, meist den Regeln des alten Chefs, handeln.
Haben Sie ein Beispiel? Nehmen Sie das Thema Handy. Unternehmer, die ihre Mitarbeiter hier bei uns schulen lassen, fordern mich oft auf: „Sag denen mal, dass sie ihr Handy auslassen sollen!“ Sie haben Angst, dass wenn jemand während der Arbeitszeit auf Facebook unterwegs ist, er ja nicht arbeitet. Sie können das zwar verbieten, Fakt ist aber, er wird es trotzdem tun. Dann eben heimlich, auf dem Klo. So einfach ist das. Die Zeit des Verbietens ist vorbei. Wenn du einen neuen Mitarbeiter einstellst und sagst ihm: „Pass mal auf, Junge, eins will ich dir sagen, das Handy bleibt in der Tasche.“ Dann hast du einen neuen Feind, keinen neuen Mitarbeiter.
Was sagt aber der Kunde dazu? Wir haben gemeinsam mit unseren Mitarbeitern einen Verhaltenskodex erarbeitet. Darin sind feste Benimmregeln formuliert, von A wie Arbeitskleidung über H wie Handynutzung und R wie Rauchen bis Z wie Zähne putzen. Unsere Mitarbeiter sollen beispielsweise auch gut riechen. Die haben übrigens kein Problem damit, sich zu waschen und zu deodorieren. Denn sie verstehen das. Aber wenn sie im Auto sitzen oder in der Pause oder sonstwo, dann sollen sie auch ihr Handy benutzen dürfen. Auch das gehört zu den Freiheiten.
Wie äußert sich das noch? Momentan haben wir einen Urlaubsplan. Während 17 Wochen im Jahr kannst du Urlaub machen. Das vereinfacht uns die Organisation. Morgen oder übermorgen schaffe ich das ab. Dann kann jeder Urlaub machen, wann er will. Unter der Bedingung, dass er seine Zahlen bringt. Freiheit und gleichzeitig Verantwortung: Wird ein Mitarbeiter nur seine Freiheiten nutzen und keine Leistung bringen, muss ich ihn nach Hause schicken. Denn ich kann ihn mir nicht leisten. Er rationalisiert sich selber weg, hat selber sein Glück verspielt.
Es kann doch aber auch sein, dass sich ein Mitarbeiter übernimmt. Zu viel arbeitet. Wir achten auf unsere Mitarbeiter, passen auf sie auf – aber nicht wie Aufpasser, sondern eher wie Schutz-engel. Schließlich haben auch wir eine Verantwortung – eine Führungsverantwortung. Und die nehmen wir ernst.
Solche Freiheiten erfordern aber auch Selbstdisziplin. Was ist, wenn ihre Montage-Teams sagen, „heute fangen wir erst um 14 Uhr an“? Ne, ne, ne, wir fangen 10 vor 7 an. Bei unseren Monteuren wird sich nichts ändern. Aber wenn sie um 14 Uhr fertig sind und ihre Arbeit top erledigt haben, dann dürfen sie nach Hause. Wenn die Vorgabezeit bis 17 Uhr war, kriegen sie auch bis 17 Uhr bezahlt. Gute Leistung wird mit Freizeit belohnt. Freizeit ist der größte Motivationsfaktor. Da kommen viele Chefs nicht drüber weg. Dann schieben die dem Mitarbeiter noch eine Arbeit unter. Der fährt dann nochmal los und kommt erst um sieben Uhr abends wieder rein. Den Fehler macht er nur einmal.
Womit wir beim Thema Motivation wären. Motivationspunkte haben wir sehr viele im Unternehmen. Die werden aber oft nicht als Motivation gesehen. Einem, dem Urlaubsflexibilität das Wichtigste ist im Leben, kannst du obendrauf noch so viele Bonbons packen, das interessiert den gar nicht. Die nimmt er gar nicht wahr. Wir haben einen kostenlosen Waschservice für die Monteure, wir machen einen Ausflug, der voll bezahlt wird, alle Weiterbildungen finden während der Arbeitszeit statt und werden bezahlt, wir haben einen eigenen Koch, der täglich zwei Mittagessen für die Mitarbeiter zubereitet, wir haben ein eigenes Restaurant mit kostenlosem Frühstück für alle, wir stellen die besten Autos, das beste Werkzeug …
Bei all diesen Motivationsfaktoren haben Sie Geld nicht aufgezählt. Geld ist nicht mehr motivierend. Das war früher mal der Fall, als ich mich selbstständig machte. Mein Ziel war es damals, dass ein Mitarbeiter bei mir so viel verdient, als wenn zwei arbeiten gehen. Wenn jemand Kinder haben will, muss er doppelt so viel verdienen, dass er rumkommt. Heute sind die Menschen mit Geld viel besser ausgestattet. Ich hatte am Samstag eine Gruppe junger Leute hier. Ich fragte:, „Was ist euch am wichtigsten?“ Die Antwort: „Keine Überstunden.“ Die Menschen sind nicht mehr bereit, mehr zu leisten.
Finden Sie das schlimm? Nein, ich akzeptiere das. Ich habe das mal als schlimm empfunden, aber da lag ich falsch. Im Endeffekt träumt doch jeder Unternehmer von einer normalen Arbeitszeit. Er macht sie nicht, weil er weiß, dass es nicht geht. Aber träumen tut er trotzdem. Die Nicht-Unternehmer träumen von einer normalen Arbeitszeit. Das respektiere ich.
Die Zeiten ändern sich. Da gibt es einen schönen Spruch: Willst du Recht haben oder gewinnen? Wir Unternehmer im Handwerk haben das Recht-haberische eingeprägt bekommen. Wir wollen dem Kunden sagen, wie eine Leistung oder ein Produkt aussehen soll. Der Kunde will aber vielleicht etwas ganz anderes. Genauso ist es beim Führen eines Unternehmens. Das ist eine permanente Entwicklung und zwar momentan in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit.
Gehört dazu auch die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und deren individuelle Wünsche einzugehen? Ja, aber leider wollen viele Unternehmer davon nichts wissen. Das geht ihnen gegen den Strich. Der Chef sagt: „Bin ich denn hier für alles zuständig?“ Ich antworte: „Ja. Du bist als Chef für alles zuständig.“ Viele Unternehmer sind am Limit der Belastungsfähigkeit. Die sind platt wie ein Turnschuh – weil sie alles mit Kraft machen statt mit Intelligenz. Es werden derzeit viele Betriebe verkauft, weil die Chefs sagen, sie haben die Schnauze voll. Genaugenommen müssten sie aber sagen, weil sie es nicht können. Diese Generation kann den Wandel nicht mittragen. Wer nicht aufpasst, steht bald ohne Unternehmen da. Die besten Unternehmer, die weltoffen sind, kriegen die besten Leute. Die anderen, die machen zu. Entweder top oder bankrott.
Herr Schmitz, vielen Dank für das Gespräch.
Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de