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Was sagen Sie dazu?

Unverdünnt aufgetragen
Was sagen Sie dazu?

Was sagen Sie dazu?
Foto: Florian Kunde / Adobe Stock

Was soll man dazu sagen, dass die Bürde der Bürokratie immer schwerer wird– für Bürger wie Betriebe? Paul Kirchhof, ehemaliger Bundesverfassungsrichter, hat sich jetzt dazu geäußert. In einem großen Artikel schreibt er, dass das Procedere der vielfältigen Verwaltungsaufgaben ein Ausmaß erreicht habe, das die Betroffenen überfordere. Die Genehmigungs-, Förderungs- und Steuerverfahren stellten inzwischen Anforderungen, die man ohne juristischen Beistand und technische Hilfen nicht mehr eigenverantwortlich erfüllen könne. Als Grund benennt er die Kurzsichtigkeit der Gesetzgebung, bei der Ordnungsrecht und staatliche Mitfinanzierung zu sehr verquickt sind. Deshalb sollten die Verwaltungsaufgaben reduziert und deren Erledigung erleichtert werden, und zwar so, dass alle notwendigen Aufgaben auf einen Level heruntergefahren werden, den jeder Betroffene versteht und die Aufgaben eigenverantwortlich erledigen kann.

Dazu macht er eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie man die Bürokratie reduzieren oder zumindest erleichtern könne, allesamt überlegenswert. Weil Paul Kirchhof das in einer der größten deutschen Zeitungen geschrieben hat, werden’s wohl auch Regierungsmitglieder lesen. Ob er mit seinen Vorstellungen auch Gehör findet, ist allerdings fraglich. Ich habe noch im Ohr, wie Carl-Heiner Schmid in einem unserer Seminare zu Neuerungen und Veränderungen mal folgende Gedankenkette formuliert hat: „gesagt ist noch nicht gehört – gehört ist noch nicht verstanden – verstanden ist noch nicht einverstanden – einverstanden ist noch nicht getan – getan ist noch nicht dauerhaft getan – dauerhaft getan ist noch nicht gern getan“. Gehört und verstanden haben die Politiker die Vorschläge sicher, ob sie auch einverstanden sind und auf Dauer was tun ist fraglich, gerne wohl nicht.

Sanieren mit Fertigfassaden

Monteure anstelle von Malern bei der Fassadenmodernisierung, geht das? Das geht, und es gibt es auch schon: Ein großes Wohnungsunternehmen in Mönchengladbach testet gerade an bewohnten zweigeschossigen Häusern, welcher der verschiedenen Anbieter, von denen jeder eine Häuserzeile bearbeitet, der beste ist. Beim seriellen Sanieren werden in Fabriken hergestellte und gedämmte Fassadenteile nach den jeweiligen Fassadenmaßen vorproduziert und vor Ort auf die Fassade montiert. Die Hersteller argumentieren für dieses Verfahren mit vergleichsweise niedrigeren Kosten und verweisen zudem auf den Mangel an Fachhandwerkern für die herkömmliche Sanierung.

Grenzenlos Fachkräfte?

Die Bundesregierung hat ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, das die Innenministerin forsch als „Modernstes Einwanderungsgesetz der Welt“ bezeichnete. Es soll mehr qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland ziehen. Auch für uns? Weil wohl nur wenige Handwerksunternehmen in der Lage sind im Ausland fertige Fachkräfte zu akquirieren, ist Skepsis angebracht.

Und was kann uns das zweite Kontingent potenzieller Mitarbeiter, die Flüchtlinge, über die gerade wieder heftig debattiert wird, bringen? Die Betrachtung der neuesten Zahlen könnte man mit „6 Jahre Lehrzeit“ überschreiben. 6 Jahre nämlich hat es gedauert, bis mehr als die Hälfte erwerbstätig ist, wozu neben sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen auch die Ausbildungsverhältnisse, Praktika und Minijobs zählen. Rund ein Drittel arbeitet als Helfer. Weil es in unseren Handwerksberufen unqualifizierter Hilfsarbeiter kaum noch bedarf, stellt sich die Frage, ob man aus diesen Helfern Handwerker machen kann. Weil die lange „Lehrzeit“ hauptsächlich den mangelnden Sprachkenntnissen geschuldet ist, müsste man hier wohl ansetzen. Und weil die Sprache der Schlüssel zu jedweder Integration ist, müsste sie zu Beginn des Aufenthaltes strikter, strenger und länger vermittelt und gefestigt werden. Derzeit entsprechen viele der Unterrichteten den praktischen Anforderungen des bisweilen zu leichtfertig bescheinigten B1- Zertifikats, das fast in allen Fällen Mindestvoraussetzung für einen Job ist, bei weitem nicht, weil sie, nicht nur solange sie in Flüchtlingsunterkünften leben, aus verständlichen Gründen hauptsächlich unter sich, also in ihrer Landessprache kommunizieren. Dadurch werden die angelernten Deutschkenntnisse schnell wieder verschüttet. (Ich schreibe dies aus meiner mehrjährigen Erfahrung mit ehrenamtlichem Ergänzungsunterricht von Flüchtlingen). Hier müsste mit kreativeren Maßnahmen als bislang das Sprechen, Lesen, Verstehen forciert und beschleunigt werden. Wenn das gelänge, hätten erwachsene Flüchtlinge als Quereinsteiger, nicht nur für partielle Arbeitsbereiche, bei uns im Handwerk bessere Chancen, und wir somit auch. Und die Jüngeren? Die können die Sprachhürde schneller überwinden und eine Lehre machen, vorausgesetzt, wir zeigen ihnen mehr und besser Karrieremöglichkeiten auf. Für diese Zielgruppe halte ich den Aufbau außerbetrieblicher Lehrstellen, wie jetzt in Hessen gefordert, nicht für besonders erfolgversprechend. Gesellen ohne betriebliche Praxis ist nur eine Notlösung.

Gut pariert

Zu meinem Beitrag im August über die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ist mir noch diese alte Episode eingefallen: Walter Wieser, Gründer und erster Präsident des Maler-Hauptverbandes, kritisierte mal den lässigen Umgang seines Hauptgeschäftsführers, Helmut Frincke, nach dem übrigens unsere Stiftung „Bildung der Handwerksjugend“ benannt ist. Dessen forsche Replik machte damals die Runde: „Ich habe Ihnen doch meinen Kopf vermietet, nicht meinen Hintern“. Das könnte heute wieder sagen, wer z.B. im Homeoffice arbeitet. Gesellen, die es mit der Arbeitszeit nicht so genau nehmen, freilich nicht.


PraxisPlus

Autor Werner Schledt war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk.

Werner Schledt

Gangstraße 35 c

60388 Frankfurt/Main

werner@schledt.de


Das Ausmaß unserer Bürokratie ist nicht länger tragbar

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