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Nicht zu unterschätzen

Bautenschutz & Denkmalpflege
Nicht zu unterschätzen

Häufig trifft man auf der Baustelle kleinere Schimmelschäden an. Bei der Beseitigung des vermeintlichen Kleinschadens kann sich jedoch herausstellen, dass das Schadensausmaß weitaus größer ist. Daher sollten auch kleinere Schimmelpilzschäden ernst genommen werden.

Dipl.-Ing. Gunter Hankammer

Die fachgerechte Durchführung von Schimmelpilzbeseitigungsmaßnahmen stellt hohe Anforderungen an Planende und Ausführende, insbesondere immer dann, wenn die Beseitigungsmaßnahmen gleichzeitig mit dem Abbruch und der Entsorgung von befallenem Baumaterial verbunden sind. Die hierbei frei werdende Staubentwicklung kann zu einem relevanten Anstieg der Partikelkonzentration in der Raumluft führen. Zu beachten sind daher die Belange des Arbeits- und Umgebungsschutzes um die eingesetzten Fachkräfte nicht zu gefährden und um einer Verschleppung des Befalls vorzubeugen. Die von öffentlicher Seite bereitgestellten Leitfäden und Handlungsanweisungen stellen dabei den Stand der Technik und der Wissenschaft dar. Danach sollten nur Kleinschäden mit einer befallenen Oberfläche von weniger als 0,5m² von Personen behandelt werden, die nicht speziell als Fachkräfte für diese Tätigkeit ausgebildet worden sind. Bei der Beseitigung eines scheinbaren Kleinschadens kann sich aber herausstellen, dass tatsächlich ein größeres Schadensausmaß vorliegt, als man zunächst auf Grund einer falschen Beurteilung der sichtbaren Symptome vermutet.
Leitfäden zur Beurteilung und Beseitigung
Zur Beurteilung von Schimmelpilzbefall und der erforderlichen Maßnahmen für dessen Beseitigung sind verschiedene Leitfäden von öffentlicher Seite herausgegeben worden (siehe Kasten).
Im Schimmelpilzsanierungsleitfaden des Umweltbundesamtes etwa wird empfohlen, dass nur bei einem Schimmelpilzbefall kleineren Umfangs (z.B. < 0,5m², nur oberflächlicher Befall) eine Beseitigung durch die Bewohner selbst stattfinden sollte. In allen übrigen Fällen wird der Einsatz von Fachpersonal empfohlen.
Die Leitfäden sind keine normativen oder gesetzlichen Regelungen, spiegeln aber gleichwohl den Stand der Technik und der Wissenschaft wider. Wird das Sanierungsziel unter Beachtung des Arbeits- und Umgebungsschutzes auch auf andere Weise erreicht, liegt hierin kein gesetzlich sanktionierbarer Verstoß begründet. Kommt es jedoch unter diesen Umständen zu einem Schadensfall, bei dem z.B. Arbeitskräfte einen gesundheitlichen Schaden erleiden, wird sich der Arbeitgeber bezüglich der Haftungsfrage daran messen lassen müssen, ob er die in den Leitfäden enthaltenen Grundsätze ggf. fahrlässig, vorsätzlich oder ggf. grob fahrlässig missachtet hat.
Unterscheidung Kleinschäden – schwer wiegende Schäden
Für eine erste Einschätzung der Frage, ob ein Kleinschaden vorliegt, der ggf. auch von den Nutzern selbst beseitigt werden kann, ist zunächst eine Beurteilung der Ausdehnung des Schadens vorzunehmen. Hierbei sind sowohl die Befallsfläche zu berücksichtigen, als auch die Befallstiefe im Material.
Typische Kleinschäden sind z.B. lokale hygrothermisch bedingte Schäden, bei denen sich an kälteren raumseitigen Bauteiloberflächen eine erhöhte relative Luftfeuchtigkeit von mehr als 80 Prozent einstellt. Erreicht die relative Luftfeuchtigkeit die Obergrenze von 100 Prozent, kommt es zum Tauwasserausfall, bei dem Wasser in tropfbar flüssiger Form an den Oberflächen entsteht. Derartige Schäden zeigen sich oft in den Raumecken von älteren, bauzeitbedingt gering wärmegedämmten Gebäuden als Folge der so genannten „geometrischen Wärmebrücke“ oder in Zonen bei denen die wärmegedämmte Ebene von gut leitfähigen Bauteilen unterbrochen wird, wie dies z.B. bei Stahlbeton-Balkonplatten älterer Gebäude der Fall ist, die ohne thermische Trennung durch das Außenmauerwerk hindurchreichen.
Ein besonderes Risiko liegt in der falschen Einschätzung von vermeintlichen Kleinschäden, die sich mit geringer sichtbarer Ausdehnung von Symptomen z.B. an den Rändern von schwimmenden Estrichen oder im Deckenanschlussbereich zeigen. Hier können verdeckte Durchfeuchtungen der Estrichdämmschicht vorliegen, oder die Innenseiten von Gipskarton-Ständerwänden und von abgehängten Decken sind großflächig befallen. Die durchgeführte Beseitigung des sichtbaren Schadens ist dann nicht nur erfolglos, sondern der eigentliche mikrobiologische Schaden kann sich verdeckt weiterentwickeln und damit zu einer Vergrößerung des ursprünglichen Schadensausmaßes führen. Hiermit ist ein erhebliches Haftungspotenzial verbunden.
Flächendeckender Schimmelpilzbefall an Wänden und Decken zählt nicht mehr zu den Kleinschäden. Es ist davon auszugehen, dass die sichtbaren Schimmelpilzvorkommen Sporen an die Raumluft abgeben und damit bereits der Aufenthalt in derartigen Räumen eine Gesundheitsgefährdung darstellt.
Für nicht spezialisierte Handwerker ist die Beurteilung einer Estrichdurchfeuchtung insbesondere bei schwimmenden Estrichen sehr riskant, da die flächige Ausdehnung der Durchfeuchtung unterhalb der Estrichdämmung schwer einzuschätzen ist. Hier sind regelmäßig zerstörende Öffnungen erforderlich. Nicht immer ist dem Dämmstoff ein sichtbarer Befall anzusehen.
Auch bei einem sichtbaren Schimmelpilzbefall an der Unterseite von abgehängten Gipskartondecken lässt sich das Ausmaß der Deckendurchfeuchtungen in der Regel nicht ohne zerstörende Öffnungen eingrenzen. Bei Holzbalkendecken kommt das Risiko einer Schädigung durch Holz zerstörende Pilze hinzu.
Maßnahmen zur Beseitigung
Schon bei der Beseitigung kleinerer Schimmelpilzvorkommen muss neben ggf. anderen erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen die persönliche Schutzausrüstung angelegt werden (Arbeitshandschuhe, Einweg-Overall, Feinstaubmundschutz).
Die häufig zu beobachtende Anwendung von so genannten Anti-Schimmel-Reinigern ist nicht zu empfehlen, da von derartigen Mitteln häufig starke toxische Wirkungen ausgehen.
Die im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen richten sich danach, ob die Baustoff- oder Inventaroberfläche glatt und desinfektionsfähig ist oder porös. Die folgenden Empfehlungen stammen aus dem Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen („Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden“), Umweltbundesamt, 2005.
    • Glatte Flächen: Bei glatten Flächen, z.B. Fliesen, Keramik, Glas, Metall, reicht es, wenn die Fläche nach dem Anfeuchten mit einem haushaltsüblichen Reiniger abgewaschen wird. Flächen können anschließend mit 70-prozentigem Alkohol (Ethanol oder Isopropanol) (Gundermann et al., 1991) desinfiziert werden. Befallene Silikonfugen sollten entfernt werden. Im Badezimmerbereich sollte bei neuer Verfugung spezielles Sanitärsilikon verwendet werden (Ausführung durch Handwerker).
    • Poröse, offenporige Flächen: Offenporige Flächen, z.B. verputzte Wände, sollten feucht abgewischt und danach mit Alkohol (Ethanol oder Isopropanol) abgerieben werden, um den Schimmelbefall abzutöten. Bei trockenen Flächen 70-prozentigen Alkohol und bei nassen Flächen 80-prozentigen Alkohol verwenden. Dabei ist unbedingt für gute Durchlüftung zu sorgen. Auf Grund der Brand- und Explosionsgefahr sollte der Alkohol nur in kleinen Mengen verwendet werden. Auf keinen Fall darf dabei geraucht werden oder offenes Feuer verwendet werden.
Dekontamination von Baustoffen
  • Tapeten entfernen: Schimmelpilze lassen sich in der Regel nicht von Tapeten entfernen. Tapeten sind daher grundsätzlich abzulösen und zu entsorgen.
  • Gipskartonplatten ausbauen und entsorgen: Da sich die Papieroberfläche von Gipskartonplatten ähnlich wie Tapetenmaterial verhält, ist eine Dekontamination in der Regel nicht erfolgreich. Die Gipskartonplatten sind daher großzügig, mindestens jedoch 30 Zentimeter über den Chromatografierand (Zone des sichtbaren Befalls) hinaus auszubauen und zu entsorgen
  • Putz abschlagen: Dort, wo auf Grund anhaltender Feuchtigkeitseinwirkung bereits eine Zerstörung des Putzgefüges eingetreten ist (Aufweichung, Verseifung), bleibt nur eine partielle Putzentfernung und eine anschließende Wiederherstellung. Hierbei sollte diffusionsoffenen Systemen der Vorzug gegeben werden (zum Beispiel Kalkputz mit Silikat-Farbbeschichtung). Aber auch in Bereichen, die nicht sichtbar befallen sind, können eingekapselte Sporen in Depots eingelagert sein, die unmittelbar bei Konfrontation mit frei verfügbarem Wasser zum Wachstum gelangen. Da die Untersuchung von Putzproben auf Schimmelpilzbefall in der Regel sehr aufwändig und kostspielig ist, bietet sich unter vernünftigen Gesichtspunkten oft eher eine Putzentfernung und anschließende Erneuerung an.
  • Mauerwerkswände und Betonflächen abflämmen: Dort, wo nicht auf Grund von Brandgefahr größere Schäden drohen, kann eine Behandlung zum Beispiel von Putz- oder Mauerwerksflächen mit offener Flamme erfolgen. Hierbei werden die vegetativen Systeme in der Regel restlos zerstört. Alle nicht brennbaren Materialien sollten dabei mit einem Brenner stark erhitzt werden.
  • Dekontamination befallener Flächen mit porenfreien Oberflächen: Zur Beseitigung eines Befalls auf dekontaminationsfähigen Flächen (Glas, Metall, Keramik, Lackflächen) kann Wasserstoffperoxid (H2O2) in einer Konzentration von fünf bis zehn Prozent eingesetzt werden, was in der Regel zu einer Zerstörung der Hyphen führt. In verschiedenen handelsüblichen Produkten für die Schimmelpilzbekämpfung ist Wasserstoffperoxid bereits in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Das Arbeitsfeld sollte gut belüftet sein. Die spezifischen Arbeitsschutzmaßnahmen für den Umgang mit den jeweiligen Chemikalien müssen beachtet werden. Insbesondere dürfen beim Umgang mit explosiven und feuergefährlichen Desinfektionsmitteln nur ex-geschützte Arbeitsgeräte eingesetzt werden. Die elektrische Anlage in der Sanierungszone muss dann, wenn kein Ex-Schutz gewährleistet werden kann, außer Betrieb genommen werden. Nur in Ausnahmefällen sollten Natriumhypochloritlösungen (NaOCl, Chlorbleichlauge) zur Schimmelpilzbekämpfung verwendet werden. Der Einsatz der Chlorbleichlauge setzt wegen der dabei entstehenden Freisetzung von Chlorgas ebenfalls eine gute Belüftung des Arbeitsumfeldes voraus, bzw. die Anwendung von umgebungsluftunabhängigem Atemschutz, sowie einer Schutzbrille und Neoprenhandschuhen als Spritzschutz. Die spezifischen Arbeitsschutzmaßnahmen für den Umgang mit Chlorbleichlauge müssen beachtet werden.
Erfolgskontrolle
Im Nachgang zu einer Schimmelpilz-Sanierung kann eine Erfolgskontrolle anhand von Luftmessungen, von Staub- und Materialprobenuntersuchungen oder anhand von Abklatsch- oder Folienkontaktproben durchgeführt werden. Oft bietet sich die Kombination aus mehreren Verfahren an. Hilfreich ist es hierbei in jedem Fall, wenn reproduzierbare Referenzwerte aus der Zeitphase des aktiven Befalls vorliegen, um überprüfen zu können, ob sich der Absolutgehalt an Sporen, oder Partikeln durch die Sanierung relevant verändert hat.
Eine Sanierung wird niemals dazu führen, dass anschließend eine vollständige Schimmelpilzfreiheit innerhalb der Räumlichkeiten besteht; sie kann lediglich dazu dienen, die allgemein üblichen Hintergrundbelastungen, die in „normalen“ Räumlichkeiten grundsätzlich vorherrschen, wiederzuerlangen. Unter diesem Aspekt wird auch aus einer auf Laboranalysen gestützte Erfolgskontrolle unter seriösen Mess- und Randbedingungen niemals eine „Nullmessung“ hervorgehen.
Weiterbildung ratsam
Die Entscheidung, ob ein Kleinschaden vorliegt, der im Prinzip auch von nicht besonders spezialisierten Fachleuten beseitigt werden kann, ist oft schwierig und stellt den Handwerker häufig vor eine Gewissensfrage. Wer sich beruflich öfter mit der Beseitigung von Schimmelpilzen beschäftigen muss, ist gut beraten, wenn er sich diesbezüglich weiterbildet. Der Bundesverband Schimmelpilzsanierung e.V. (BSS) bietet entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen an, die mit einem Zertifikat abgeschlossen werden können. Alle Informationen enthält die Website: www.Schimmelpilz.tv

Leitfäden zum Thema Schimmelpilzbefall
LGA Baden-Württemberg:
  • „Schimmelpilze in Innenräumen – Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement“, 2002. Dieser Leitfaden enthält die Kriterien, die für eine Beurteilung eines erkannten Schimmelpilzbefalls herangezogen werden müssen.
  • „Handlungsempfehlung für die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen“ , 2004. Dieser Leitfaden enthält die Kriterien, die für eine fachgerechte Beseitigung eines erkannten Schimmelpilzbefalls herangezogen werden müssen. Aus dem Leitfaden geht hervor, dass die Beseitigung eines Befalls nur durch Firmen mit besonderer Sachkunde ausgeführt werden soll.
  • Die beiden Leitfäden können im Internet unter www.landesgesundheitsamt.de (Service ↦ Fachpublikationen ↦ Umwelt & Gesundheit) gegen eine Gebühr bestellt oder heruntergeladen werden.
Umweltbundesamtes (UBA):
  • „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“, 2002. Dieser Leitfaden enthält die Kriterien, die für eine Beurteilung eines erkannten Schimmelpilzbefalls herangezogen werden müssen.
  • „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen („Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden“)“, 2005.
  • Download der Leitfäden möglich unter www.apug.de/leben/wohnen oder kostenlose Bestellung beim UBA, Zentraler Antwortdienst, Postfach 33 00 22, 14191 Berlin, Fax: (030) 8903-2912.
Handlungsanleitung der BG Bau:
  • BGI 858: „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung nach BioStoffverordnung (BioStoffV)“, 2005. Hier sind die relevanten Kriterien zur Festlegung von Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Beseitigung eines mikrobiellen Befalls festgelegt.
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