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Besser als ihr Ruf

Technik
Besser als ihr Ruf

Wärmedämmverbundsysteme gelten häufig als anfällig gegen Verschmutzung, Algenbefall und mechanische Belastungen. Handelt es sich dabei um Vorurteile oder Tatsachen?

Dr.-Ing. Helmut Künzel, Dr.-Ing. Hartwig M. Künzel/ Fraunhofer Institut für Bauphysik

Seit Anfang der sechziger Jahre kommen Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) als Fassadenaußendämmung zur Anwendung. Wegen der Neuartigkeit dieses Dämmsystems, das zunächst nur mit Schaumstoffplatten und Kunstharzputzen ausgeführt worden war, wurden vom Fraunhofer Institut für Bauphysik zu verschiedenen Zeitpunkten Untersuchungen an ausgeführten Bauten vorgenommen, um deren Bewährung unter praktischen Bedingungen zu ermitteln. Eine erste Objektbesichtigung erfolgte 1975 an insgesamt 93 Bauten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Besichtigung wurde 1983 an 87 Gebäuden wiederholt. 1989 wurden entsprechende Ermittlungen auch an WDV-Systemen mit mineralischen Dämmstoffen durchgeführt. Kontrolluntersuchungen folgten 1995 und 2004 an einer ausgewählten Zahl von größeren Gebäuden, um das Langzeitverhalten und die Art zwischenzeitlich erforderlicher Renovierungen zu erfassen. Über die letzten Untersuchungen Ende 2004 an insgesamt 12 größeren Gebäuden mit WDVS verschiedener Hersteller wird im Folgenden berichtet.
Bewertungsmodalität
Der Zustand der Fassaden wurde nach eingehender Besichtigung nach drei Bewertungsgruppen beurteilt, wobei Erdgeschossbereiche mit normalem Blickabstand betrachtet worden sind und die oberen Geschosse mit Fernglas.
  • Gruppe 1 – Praktisch ohne Mängel: Keine Mängel sind erkennbar. Kleine Kerbrisse, bei normalem Blickabstand kaum erkennbar, werden hier mit eingruppiert.
  • Gruppe 2 – Geringe Mängel: Vereinzelt sind Risse, z.B. von Fensterecken ausgehende längere Kerbrisse oder vereinzelte Risse längs Dämmplattenstößen, erkennbar. Diese sind jedoch nicht auffällig, sondern nur bei genauer Betrachtung zu erkennen.
  • Gruppe 3 – Größere Mängel: Häufige bzw. längere Risse, meist entlang der Dämmplattenstöße, Blasenbildungen oder Ablösungen von Beschichtungen sind deutlich sichtbar.
Kleine Risse in Verbindung mit Fenster- und Türecken sind nicht systemspezifisch; sie können auch bei anderen Bauarten auftreten und verursachen in der Regel keine weiteren Schäden. Risse längs Dämmplattenstößen sind dagegen als systemspezifisch einzustufen. Nach vorliegenden Untersuchungen beeinflussen solche Risse aber den Feuchtegehalt und damit die Dämmwirkung des Systems nicht und es sind auch keine Folgeschäden zu erwarten. Algenbildung wird nicht als technischer Mangel, sondern als „optische Beeinträchtigung“ bewertet. Unter der Bezeichnung „Algen“ sind im Folgenden verschiedene mikrobielle Bewuchsarten zu verstehen ohne nähere Differenzierung, die im Rahmen der Untersuchungen nicht erfolgte.
Objekte und Ergebnisse
Das Alter der überprüften WDVS schwankt zwischen 18 und 35 Jahren. Manche Gebäude wurden mit WDVS geplant und errichtet; mehrheitlich handelt es sich aber um eine nachträgliche Verbesserung der Wärmedämmung bestehender Bauten. Dementsprechend und auch wegen der minderen Anforderungen in früheren Jahren sind die Dämmschichtdicken teilweise nach heutigen Vorstellungen gering (minimal 20 mm). Die über 20 Jahre alten WDVS wurden alle durch einen Anstrich renoviert, manche zweimal.
Bei der ersten Überprüfung 1975 war die Hälfte der Gebäude in die Gruppe 2 und 3 einzustufen (geringe bis größere Mängel); bei der Bewertung aller damals besichtigten Gebäude waren es sogar wesentlich mehr. Hingegen sind bei der letzten Überprüfung Ende 2004 nach Renovierungen alle Gebäude „ohne Mangel“ (Gruppe 1) befunden worden. Die Renovierung bestand im Wesentlichen in Neuanstrichen, in einem Fall wurde eine zusätzliche Dämmschicht aufgebracht. Der Zustand der Fassaden hat sich somit im Laufe der Zeit verbessert. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass bei älteren WDVS aus der Zeit Anfang der siebziger Jahre die Ausführungstechnik noch nicht in allen Fällen optimal war und deshalb aufgetretene Mängel durch Renovierung beseitigt worden sind. Durch die Bilddokumentationen werden die vorgefundenen optischen Veränderungen an den Fassaden dargestellt und erläutert.
Verschmutzung – Algenbildung
In früheren Jahrzehnten war die Fassadenverschmutzung die hauptsächliche Ursache für Renovierungen durch Neuanstriche. Die Luftverschmutzung war damals wesentlich höher als heute, insbesondere in industriellen Ballungsgebieten oder an Hauptverkehrsstraßen. Erkennbar war die Fassadenverschmutzung hauptsächlich an unterschiedlich beregneten Fassadenbereichen: häufig beregnete Flächen waren deutlich sauberer als geschützte Flächen, z.B. unterhalb von Dachüberständen oder Fensterbänken. Mit der Filterung der Abluft von Industrieanlagen wurde aber nicht nur die Luftverschmutzung reduziert, sondern auch der Schadgasgehalt der Luft, insbesondere der Gehalt an Schwefeldioxid (SO2). Dadurch wurde aber andererseits das Wachsen von Mikroorganismen – wie Algen und Bakterien – an Fassaden gefördert, das früher durch SO2 weitgehend unterbunden worden war. So kommt es, dass häufig beregnete Fassadenflächen heute oft nicht mehr durch Schmutzfreiheit, sondern durch Algenbewuchs erkennbar sind, da Feuchtigkeit eine Voraussetzung für Algenwachstum ist. Bei WDV-Systemen kann die nächtliche Betauung der Fassaden eine zusätzliche Ursache für Feuchtezufuhr und damit Algenwachstum sein.
Eine Veränderung der Fassadenoberflächen durch Schmutz oder Algen wird im Allgemeinen als „Patina“ hingenommen, wenn sie relativ gleichmäßig erfolgt. Hingegen werden lokal konzentriert auftretende Verschmutzungen oder Veralgungen oft als „optische Beeinträchtigung“ empfunden. An den überprüften Gebäuden war sowohl ein Säuberungseffekt als auch ein Algenbewuchs an häufig beregneten Flächen festzustellen. Dies kann sowohl mit der örtlich gegebenen Luftqualität zusammenhängen als auch mit der Art fungizider Zusätze zu den Putzen bzw. den späteren Anstrichen. Hierüber wurden keine Ermittlungen vorgenommen. Anhand der Bilder werden beispielhaft einige Befunde an den überprüften Fassaden erläutert.
Festigkeit und Dauerhaftigkeit
Oft werden die geringe Putzdicke und der weiche Dämmstoff als Putzgrund als Möglichkeiten für Beschädigungen infolge mechanischer Einwirkungen vermutet. Bei den mehrmaligen Besichtigungen konnten aber keine Hinweise für eine besondere Schadensanfälligkeit aus diesem Grund festgestellt werden. Im Gegenteil: Häufig waren in unmittelbarer Nachbarschaft der überprüften Objekte konventionell ausgeführte Gebäude mit Putzschäden erkennbar, die auf Formänderungen des Mauerwerks zurückzuführen sind. Solche Formänderungen sind bei Mauerwerk aus großformatigen Mauersteinen oder Kombinationen zwischen Mauerwerk und konstruktiven Betonelementen oft nicht völlig zu vermeiden. Als Beispiel hierfür kann ein Wohngebäude im Bereich der Wohnsiedlung Geislingen angeführt werden, das in gleicher Bauart wie die überprüften Gebäude erstellt worden ist, aber kein WDVS erhielt. Es ist das einzige Gebäude der Wohnanlage mit Mauer- und Putzschäden. Infolge der „Entkoppelung“ zwischen Mauerwerk und Putz durch den schubweichen Dämmstoff sind WDVS gut geeignet, solche Schäden zu vermeiden.
Wartungsaufwand
Gebäudefassaden bedürfen einer stetigen Wartung. Es ist nicht nur wegen Verschmutzung und Verwitterung von Zeit zu Zeit ein neuer Fassadenanstrich erforderlich, sondern es müssen auch „Schwachstellen“ an der Fassade kontrolliert und gegebenenfalls repariert werden. Solche Schwachstellen können z.B. Anschlüsse im Bereich von Fenstern oder Fassadenabschlüsse sein.
Man kann davon ausgehen, dass bei den überprüften Objekten – wie oben ausgeführt – der erste Renovierungsanstrich z.T. zur Korrektur aufgetretender „Anfangsmängel“ diente, dass aber der Zeitabstand zum zweiten Anstrich – sofern erfolgt – Auskunft über die Wartungshäufigkeit zur Erhaltung der gewünschten Fassadenansicht gibt. Im Mittel ergibt sich eine Zeitspanne von rund 20 Jahren für die Renovierungshäufigkeit der überprüften WDVS. Dies liegt im Bereich der oberen Grenzwerte für die Renovierung von Fassadenanstrichen und Kunstharzputzen allgemein auf Grund einer früher durchgeführten Ermittlung (vgl. Tabelle).
Information: Diese Veröffentlichung ist ein Auszug aus dem IBP-Bericht HTB-01/2005 „Langzeitverhalten von Wärmedämmverbundsystemen“ des Fraunhofer Instituts für Bauphysik in Holzkirchen. Der gesamte Bericht kann angefordert werden bei Dr.-Ing. Hartwig M. Künzel, E-Mail: kuenzel@hoki.ibp.fhg.de
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