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Biomasse von der Fassade

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Biomasse von der Fassade

Normalerweise sind Algen an der Fassade unerwünscht. In Hamburg jedoch will man sie genau dort züchten – und als Energieträger nutzen. Eine Weltpremiere.

Armin Scharf

Algen und Fassaden vertragen sich eigentlich nicht wirklich, was sich aber bald ändern könnte. Wie, das soll demnächst im Rahmen der Internationalen Bauausstellung in Hamburg-Wilhelmsburg zu sehen sein. Ein fünfgeschossiges Gebäude, „BIQ“ genannt, wird dann an den Südwest- und Südost-Fassaden mit sogenannten Bio- reaktoren ausgerüstet sein. Das sind drei Meter hohe und 60 Zentimeter breite Module, die vor der eigentlichen Fassade montiert werden. Zwischen den beiden Glasscheiben tummeln sich dann Algen, um sich hurtig zu vermehren und alsbald zur energiereichen Biomasse zu werden. Die nur drei bis fünf Mikrometer großen Organismen verdoppeln ihre Masse unter geeigneten Bedingungen in zwei bis drei Tagen – was es dazu braucht sind Nährstoffe, Wärme, Sonne und Kohlendioxid. Weil Letzteres aus Kraftwerken oder industriellen Prozessen stammen kann, die Algen ungefähr das Zweifache ihres Eigengewichts an Kohlendioxid aufnehmen, könnte die Fassade doppelt zum Klimaschutz beitragen.
Die Investoren der Anlage, die Otto Wulff Bauunternehmung GmbH und die SSC Strategic Science Consult GmbH, rechnen mit einer Ernte von 15 Gramm Trockenmasse pro Tag und Quadratmeter. Die schlammige Algenmasse wird dabei aus den Kollektoren abgelassen, getrocknet und schließlich verheizt. Das soll mit einem Wirkungsgrad von 70 bis 80 Prozent passieren, ein ausgesprochen hoher Wert. Bei der 200 Quadratmeter großen Fassade des „BIQ“ könnte nach Abzug der Energie für Umwälzung, Beheizung und Trocknung ein jährlicher Nettogewinn von 4.500 kWh zur Verfügung stehen.
Noch allerdings steht der Beweis in der Praxis aus – das Gebäude befindet sich derzeit noch in Bau. Funktioniert das System, dann bieten sich vor allem großflächige und öffnungsarme Fassaden an, etwa von Industriebauten. Und sogar einen Markt für die Sanierung von Bestandsbauten hat man schon im Blick. Die Algenzucht ist übrigens nicht nur für den „Hausgebrauch“ interessant, bereits heute forscht man, inwieweit die Algenreaktoren das Rohmaterial für klimaneutrale Flugzeugtreibstoffe liefern können. Oder ob sie in der Lage sind, Sauerstoff und Nahrungsmittel für lange Missionen im All zu produzieren. Die Alge kann also mehr als nur den Wunsch nach makellosen Fassaden unterwandern.

praxisplus

Modulare Algenreaktoren an der Fassade könnten als regenerative Energiequelle der Zukunft dienen. In Hamburg-Wilhelmsburg soll noch in diesem Jahr das Pilotprojekt starten – ein fünfgeschossiges Gebäude mit 200 Quadratmetern Reaktoren, montiert vor der eigentlichen Fassade.
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