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Im Reich des Pleitegeiers

Betrieb & Markt
Im Reich des Pleitegeiers

Die Sicherung der Liquidität gehört zu den wesentlichsten Managementaufgaben.

Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir bitten um Überweisung auf eines der genannten Konten, binnen 14 Tagen abzüglich 2 Prozent Skonto, innerhalb 30 Tagen rein netto. Ja, schön wär’s. Heutzutage ist jeder Unternehmer zufrieden, wenn das Geld binnen 60 Tagen kommt. Nicht selten trotzdem abzüglich 2 Prozent Skonto. Die Kunden werden nämlich – aufgeputscht durch „Geiz ist geil“ und „Lasst euch nicht verarschen, vor allem nicht beim Preis“-Parolen – immer dreister. Eine Tatsache, die auch durch Forschungsergebnisse renommierter Inkassodienstleister bestätigt wird: Mehr als 30 Prozent der deutschen Unternehmen im Bau- und Baunebengewerbe verlieren rund zwei Prozent ihres Jahresumsatzes dadurch, dass die Kunden Rechnungen nicht oder viel zu spät bezahlen. Ganz zu schweigen von den Betrieben, denen die schlechte Zahlungsmoral schlichtweg das Genick bricht. Nicht jeder Unternehmer ist in der Lage, sechsstellige Außenstände ein paar Monate lang zu überbrücken. Und wo kein Eigenkapital, da kein Kredit. Zumindest nicht von der Hausbank. Kurzum: Forderungsausfälle sind nach wie vor ein elementares Problem kleiner und mittelständischer Unternehmen und ein entscheidender Grund für Liquiditätsengpässe.

Kreditwürdigkeit des Kunden
Prüfen Sie vor Abschluss von Verträgen die Kunden, denen Sie Zahlungsziele einräumen möchten. Greifen Sie dabei auf alle verfügbaren Informationen zurück, die eine Bewertung der Kundenbonität erlauben. Zum Beispiel können Sie Ihren Steuerberater oder Anwalt fragen, vorausgesetzt, diese sind an die Kreditreform angeschlossen. Auch kann es hilfreich sein, Innungen oder Kollegen, mitunter sogar die Außendienstler von Zulieferern, zu befragen. Ihr Erfahrungsschatz kann Gold wert sein.
Einräumung von Zahlungszielen
Vorsicht mit großzügigen Zahlungszielen! Bieten Sie Ihren Kunden Anreize (beispielsweise Skonto), möglichst rasch zu zahlen. Kalkulieren Sie in den Angebotspreisen aber auf alle Fälle Ihre eigenen Kosten ein, zum Beispiel, wenn Sie wissen, dass ein Kunde spät zahlt, Sie aber in Vorleistung treten müssen (zum Beispiel beim Materialeinkauf).
Zügige Rechnungsstellung
Wenn Sie Ihre vereinbarte Leistung erbracht haben, sollten Sie unverzüglich Ihre Forderung in Rechnung stellen. Achten Sie darauf, dass die erbrachten Leistungen korrekt und vollständig aufgeführt sind. Jede Ungenauigkeit in Ihrer Rechnung kann von Ihrem Kunden dazu genutzt werden, die Zahlung hinauszuschieben oder zu verweigern.
Organisiertes Mahnwesen
Auch wenn auf Grund der neuen Rechtslage (seit dem 1. Mai 2000 ist das „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ in Kraft) der Rechnungsbetrag auch ohne Mahnung automatisch 30 Tage nach dem genannten Fälligkeitsdatum in Verzug gerät, sollten Sie weiter am Mahnwesen festhalten. Zahlungserinnerungen und Mahnungen appellieren an das Gewissen und veranlassen im Regelfall den Kunden zum Begleichen der Rechnung, ohne dass er sich von Ihrem Unternehmen abwendet.
Planung des Geldflusses
Beurteilen Sie bei der Planung der eigenen Finanzen und der Liquidität die Zahlungsmoral Ihrer Kunden nicht zu optimistisch. Ermitteln Sie besser den durchschnittlichen Zeitraum von der Rechnungsstellung bis zum Zahlungseingang Ihrer Forderungen.
Finanzierung der Forderungen
Wenn Kunden Rechnungen nicht begleichen, müssen Sie gegebenenfalls Geld leihen, um neue Aufträge bearbeiten zu können. Sprechen Sie frühzeitig mit Ihrer Hausbank über diese Finanzierung und warten Sie nicht, bis Sie wegen der hohen Forderungsbestände Ihre verfügbare Kreditlinie vollständig ausgeschöpft haben. Wenn Kunden nicht zahlen, können Sie ein Inkassoinstitut mit dem Eintreiben der Gelder beauftragen. Gehen Sie in diesem Fall aber davon aus, dass Sie den Kunden eventuell verlieren.
Kreditversicherung
Unternehmen können sich gegen ausbleibende Zahlungen versichern. Die Versicherung zahlt dann bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden. Das ist der Fall,
  • wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder die Eröffnung vom Gericht – mangels Masse – abgelehnt worden ist,
  • wenn mit sämtlichen Gläubigern ein außergerichtlicher Liquidationsvergleich zustande gekommen ist,
  • und wenn eine vom Versicherungsnehmer vorgenommene Zwangsvollstreckung nicht erfolgreich war.
Forderungen abtreten
Auch Handwerker gehen zunehmend dazu über, die Bearbeitung der gesamten Außenstände Dritten zu übergeben. Dabei spricht man vom Factoring. Das Unternehmen tritt seine gesamten Außenstände an ein anderes Unternehmen ab, das Factoring-Unternehmen muss seinerseits alle Außenstände beim Schuldner eintreiben. Es muss die Forderungen seines Vertragspartners übernehmen und (im Voraus) bezahlen. Das Factoring-Unternehmen übernimmt also das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des Kunden. Er hat allein für das Inkasso zu sorgen.
Schwachstellen erkennen
Um „flüssig zu bleiben“ reicht ein gutes Forderungsmanagement allein meistens nicht aus. Finanzielle Engpässe können weitaus mehr Ursachen haben, wie der renommierte Unternehmensberater und Diplom-Betriebswirt Helmut Klüsener aus Köln weiß: „ Grundsätzlich sollte man den gesamten Kreislauf betrieblicher Prozesse beachten. Auch sollte man sich von der Vorstellung trennen, dass die vermeintliche ‘Rettung’ nicht in der Kreditaufnahme liegt. Denn wenn der Betrieb es bisher nicht geschafft hat, die Liquidität zu sichern, wie soll er es dann mit einer höheren Belastung erreichen? Unseren Kunden sage ich immer: „Es macht keinen Sinn auf ein Krebsgeschwür ein Pflaster zu kleben. Es wuchert weiter.“ Dann ist das Entsetzen zwar erst einmal groß, aber letztendlich akzeptieren die meisten: Wenn die Ursachen für die Liquiditätsschwäche nicht abgestellt werden, schüttet man Wasser in ein löchriges Fass. Daher erst die Löcher stopfen, bevor neues Wasser (Liquidität) fließen kann.“
Lösungsansätze
Es gibt folgende Möglichkeiten für die Beseitigung der Liquiditätssorgen:
  • Suche nach den „Liquiditätsfressern“.
  • Vernichtung, mindestens Eindämmung der „Liquiditätsvernichter“.
  • Erarbeitung eines bankvorlagefähigen Vorschlages.
  • Suche nach der sinnvollsten Finanzierung zusammen mit Ihrer Hausbank.
  • Langfristige Sicherung der Liquidität durch Planung und Steuerung des Unternehmens nach Liquiditätsgesichtspunkten. Regel: „Was ich nicht ausgebe, brauche ich nicht zu verdienen“.
Der häufigste Fehler, der hier gemacht wird ist der, dass eine neue Finanzierung gesucht wird. Man sucht eine kurzfristige Medizin für ein chronisches Leiden. Das wird man damit aber nie heilen können. Daher ist die schonungslose Darstellung der Liquidität vernichtenden Faktoren der erste, wichtige Schritt. Nach diesen Schritten tut sich ein weites Feld von Finanzierungsmöglichkeiten auf. Die öffentliche Hand hat hier durch zinsverbilligte Darlehen, Haftungsfreistellung und tilgungsfreie Jahre ein probates Mittel zur Verbesserung der Finanzierung geschaffen. Diese Mittel können nicht nur für die Existenzgründung genutzt werden, es gibt auch öffentliche Gelder für den Existenzaufbau und die langfristige Sicherung eines Unternehmens. Insbesondere für Unternehmen, die länger als acht Jahre bestehen, sind neue Mittel aufgelegt worden. Allerdings muss man hier zwischen Bundes- und Landesmitteln unterscheiden. Das bedeutet, dass die Bundesländer mitunter verschiedene Fördermittel haben. „Eine sich immer mehr entwickelnde Finanzierungsform ist die „Mezzanine-Finanzierung“. Hier wird ein Teil von 50 Prozent als faktisches Eigenkapital und 50 Prozent der Gesamtsumme als Fremdkapital dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Vorteilhaft dabei ist, dass der Eigenkapital-Anteil zu einem positiveren Rating-Ergebnis führt, als dies bei alleiniger FK-Vergabe möglich wäre. Somit ist die Kreditwürdigkeit des Betriebs verbessert. „Auch solche Finanzierungen sind im Rahmen öffentlicher Mittel möglich.“, so Helmut Klüsener.
Beratungs-Angebote nützen
Die gesamte Förderlandschaft ist recht unübersichtlich, weshalb es meist für den Unternehmer unmöglich ist, hier den Überblick zu behalten. Die Hausbank ist hier nicht immer der richtige Ansprechpartner, da sie bei öffentlichen Mitteln wenig verdient. Somit sollte sich ein Rat Suchender an einen Fachmann wenden, der diese Fragen beantworten kann. Denn auch für Beratungsleistungen gibt es Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Fazit: Liquiditätsschwäche ist der entscheidende Risikofaktor im Betrieb. Roy Sämerow
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