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Gotteshaus in Beton

Farbe & Inspiration
Gotteshaus in Beton

Im Jahre 1965 ertrank Le Corbusier 78-jährig im Mittelmeer – jetzt erst wurde sein letztes Werk vollendet: die kegelförmige Kirche St. Pierre in Firminy-Vert unweit Lyons.

Andrea Grunau

Saint-Pierre gilt als letzte Schöpfung des Baumeisters Le Corbusier: 1960 entstanden die ersten Skizzen, doch als der Meister 1965 starb, lagen noch keinerlei Ausführungspläne vor. Dabei sollte St. Pierre nur ein Teil der Erweiterung des Bergarbeiterstädtchens Firminy werden, für das Le Corbusier noch weitere Bauten entwarf. Der Architekt José Oubrerie, einer der engen Mitarbeiter Le Corbusiers, trieb jedoch die Planungen weiter voran, so-dass 1970 der Grundstein gelegt wurde. 1978 jedoch erging mangels Finanzen der offizielle Baustopp. Zurück blieb ein zum Himmel offener Rohbau, der allmählich zur Sockel-Ruine aus gammelndem Beton wurde. Erst im März 2003 sprang der Staat finanziell ein, das rund 7,6 Millionen Euro schwere Vermächtnis des Architekten erlangte den Rang eines regionalen Prestigeobjektes. Heute gilt Saint Pierre als Kulturstätte und dient vor allem Museumszwecken.
Spiel mit Licht und Farben
Eine gedrungene Betonpyramide mit abgerundeten Kanten und schräg gekappter Spitze: so erscheint der Bau aus der Ferne. Von Nahem wiederum offenbart die Kirche ihre gekonnt eingesetzten Details. Deren Zweck zeigt sich im Innern und lehrt den Besucher Staunen. Geometrische Körper wie die vier das Dach durchstoßenden Lichtkanonen durchbrechen die fensterlosen Fassaden und lenken zu jeder Tageszeit Licht in den riesigen Kirchenraum. Bei der den Bau wie ein Gürtel umspannende Regenrinne, wird das einfallende Sonnenlicht – zuweilen von Regenwasser – durchbrochen. Die plastisch geformten Öffnungen sind in den Farben Blau, Rot, Gelb, Grün betont und entfalten eine raffinierte Lichtinszenierung. Im Gegensatz zur Schwere des rohen Betons wirkt der Raum leicht und erhaben. Ein Sternbild-förmiges Muster an Öffnungen erhellt den Altarbereich durch weißes Licht. Zylinder aus massivem Plexiglas positionieren sich in der Betonwand zum Sternbild des Orion. Der strenge Eindruck unverputzter Wände, des matt geschliffenen Bodens und des Altarbereichs aus weißem Beton wird durch die Dynamik der geschwungenen Holzbänke, der gestalteten Geländerprofile und des polychromen Lichtspiels aufgehoben.
Um der Masse des Pyramidenkörpers entgegenzuwirken, wurde der quadratische Unterbau großzügig verglast. Er beherbergt ein Museum für Le Corbusier und Zeitgenossen unter farbig gestrichenen Akustikdecken. Aus konservatorischen Gründen wurden die Betonwände aufgedoppelt und kerngedämmt. Museumssockel und Kirchenkuppel sind diametrale Gebäudeteile, fallen aber konzeptionell nicht auseinander. Eine Art ansteigende Brücke führt in den Kirchenraum. Der Besucher läuft längs der Fassade um die kästchenförmigen Museumsräume.
Sanierung nach Vorschrift
Dem tragfähigen Betonstumpf der Bauruine wurde ein mächtiger Hut aus selbst verdichtendem Beton aufgesetzt. Rund sechzig Zentimeter Baustoff vom bestehenden Dachansatz mussten abgetragen werden, um die Anschlusswehrung freizulegen. Auch der übrige Rohbau wurde komplett saniert.
„Cette belle petite Eglise“ – „eine schöne kleine Kirche“ hat Corbusier St. Pierre genannt und dabei nicht ausgesprochen, dass er mit einfachen Mitteln die größte Wucht erzielt hat.

kompakt
Mit der kegelförmigen Kirche St. Pierre bei Lyon wurde nach 42 Jahren eine der letzten Schöpfungen Le Corbusiers fertig gestellt. Das Gebäude, welches mit Licht, Farbe und Formen spielt, dient heute Museumszwecken.
Bauherr: Saint-Êtienne Métropole, Frankreich
Architekt: Le Corbusier; José Oubrerie und Aline Duverger, Yves Perret, Romain Chazalon
Standort: Firminy-Vert bei Lyon, Frankreich
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