Putzfassaden: Ob Besenstrich, Kammzug oder Grobputz. Die Möglichkeiten, mit Putz Fassaden zu gestalten, sind praktisch unbegrenzt. Eine Auswahl an Projekten stellen wir hier vor.
Für das erste hier vorgestellte Putzprojekt sind auf einem rund 5.700 Quadratmeter großen Grundstück drei neue Baukörper entstanden, die sich behutsam in die Umgebung einfügen. Durch die verschachtelte Positionierung der Volumen ist es L3P Architekten gelungen, spannende Ein- und Ausblicke und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiflächen und privaten Räumen zu schaffen. Unterschiedliche Höhen und zahlreiche windgeschützte Loggien differenzieren die Gebäude voneinander, die insgesamt 42 alters- und behindertengerechte Mietwohnungen und zwölf Pflegezimmer beherbergen.
Die Farbgebung der Gebäude ist dabei alles andere als zufällig. Sowohl innen als auch außen verfolgen sie ein klares Konzept. Während die Wohnräume lichtdurchflutet und hell gestaltet sind, erscheinen Aufenthaltsbereiche wie die Bibliothek in einem kräftigen Grün, das auch für die Wohnungseingangstüren verwendet wurde. Die Fassade ist in Bronze gehalten und spielt mit perforiertem Streckmetall, das sich in den Lüftungsflügeln und den Geländern wiederholt. Teile des Sockelbereichs und die Fensterfaschen sind im Farbton des Streckmetalls fein und glatt verputzt. Die oberen Geschosse sind mit einem Besenstrichputz versehen, der einige Farbnuancen heller ausgeführt wurde. Durch das harmonische Ensemble ist ein Ort der Ruhe entstanden, der sich wie selbstverständlich in das gewachsene Quartier einfügt.
Putzfassade mit Kellenwurfoberfläche
Als Erstlingswerk realisierte der Architekt Felix Huber zusammen mit dem Bauherrn, Andreas Schwab, der ebenfalls Architektur studierte, ein Wohnhaus für ein besonders schmales Hanggrundstück in Grafrath, gelegen zwischen zwei denkmalgeschützten Villen des 20. Jahrhunderts. Sie konzipierten eine sechseckige, aus den Abstandsflächen abgeleitete Grundrissform. Um einerseits den Baumbestand auf dem Grundstück zu erhalten und andererseits im Gebäudeinneren die bestmögliche Aussicht zu inszenieren, entwickelt sich die Gebäudekubatur turmartig in die Höhe. Mit hohem Anspruch an Nachhaltigkeit bedient sich das Gestaltungskonzept zudem konsequent massiver und unbehandelter Materialien – die Architekten kombinieren rohen Messing und unbehandelte Eiche mit einer gräulichen Kellenwurf-Putzoberfläche.
Für die Fassadengestaltung diente der Sockelputz der angrenzenden Denkmäler als Inspiration: die Planer fertigten eine eigene Mischung mehrerer Putzmuster an und setzten diese in Abstimmung mit dem Denkmalamt um. Mit höchster Sorgfalt brachte ein Kirchen-Stuckateur schließlich den gräulichen Putz als Kellenwurf händisch auf allen sechs Fassadenseiten an. Die fertige Gebäudehülle des Wohnhauses überzeugt optisch vor allem mit durchgeplanten, reduzierten Details und seiner besonderen Materialkomposition. Im Zusammenspiel mit den ungleichmäßig angeordneten, verschiedenformatigen, schlichten Eichenfenstern verleiht die graue, grobkörnige Kellenputzstruktur dem Bauwerk einen massiven und lebendigen architektonischen Ausdruck.
Von innen robust, von außen türkis
Allen Widrigkeiten des Bebauungsplans zum Trotz ist es den Leipziger Architekten Irlenbusch von Hantelmann gelungen, eine Kindertagesstätte zu realisieren, die sowohl architektonisch als auch für die 104 betreuten Kinder durch die markante Dachform einen echten Wiedererkennungswert hat. Das dreigieblige Volumen basiert auf einem nahezu quadratischen Grundriss, der auf 1.250 Quadratmetern großzügige Raumqualitäten im Inneren bereithält. Natürliche und beruhigende Farben werden kombiniert mit langlebigen und robusten Materialien, sodass aus einem Funktionsbau ein kindgerechter Wohlfühlort wird.
Von außen wurde das Gebäude mit einem geschwungenen Kellenstrichputz gestaltet. In einem kräftigen Blau-Türkis eingefärbt, erinnert die Struktur an Gebäude der 50er- und 60er-Jahre und ist in Leipzig eine echte Rarität. Für die Bearbeitung der Oberfläche kam eine Zahnkelle zum Einsatz, mit der die Struktur in den feuchten Putz eingeritzt wurde. Die unregelmäßig strukturierte Putzoberfläche repräsentiert laut Architekten einerseits Handwerklichkeit und gibt andererseits eine zeitgemäße Antwort auf die Vielzahl an allzu „makellosen“ Fassadenoberflächen.
Auf das Wesentliche reduziert
Putz verkörpert Ruhe. Das beweist der von Bayer & Strobel Architekten entworfene Neubau für die Freie evangelische Gemeinde Kaiserslautern-Nord. Da das Gemeindehaus ausschließlich über Spenden finanziert wurde, hatten die Architekten die Vorgabe, die Kosten möglichst gering zu halten und entschieden sich für einen „veredelten Rohbau“. Von außen ist der traditionell verputzte Mauerwerksbau optisch in zwei Zonen gegliedert: Die Erdgeschosswände wurden mit einem plastischen Rillenputz gestaltet, die Zone des Obergeschosses ist glatt verputzt.
Für die Verarbeitung des plastischen Rillenputzes haben die Architekten bereits im Vorfeld unterschiedlich profilierte Werkzeuge angefertigt und im Labor des Putzherstellers mehrere 1:1-Muster produzieren lassen. Mit einem dieser Unikate wurde der Putz vor Ort strukturiert. Dank der tiefen Rillen entsteht auf der grau changierenden Fassade ein Spiel von Licht und Schatten, das die Struktur der Fassade betont. Die reduzierte Optik des Baus stellt einen Ruhepol inmitten der benachbarten Wohnhäuser dar und fügt sich harmonisch in die heterogene Umgebung ein. Die Innenräume entsprechen ebenfalls der minimalistischen Formensprache der Außenansicht. So sind zum Beispiel die rohen Schaloberflächen tragender Betonfertigteile der Deckenkonstruktion sichtbar.
Lebendiger Monolith aus Putz
Wenn die Fassade zum Ausgangspunkt für die Architektur wird: Inmitten des Mühlwalder Tals befindet sich ein Einfamilienhaus in monolithischer Bauweise auf 862 Metern Meereshöhe. Es fügt sich dank seiner Putzfassade als heller Hingucker in seine Umgebung mit rauschenden Bachläufen sowie schneebedeckten Berggipfeln ein. Der monolithische Charakter entsteht durch einen gewaschenen Grobputz, der aus lokalen Sanden, Kalk und Weißzement zusammengesetzt ist.
Der Farbton des Putzes ist größtenteils naturbelassen. Dezente Nuancen entstehen zum einen durch den Einsatz von Zuschlägen. Zum anderen sorgen tageszeit- und wetterabhängige Licht- und Schattenspiele für weitere Farbabstufungen und lassen die Fassade so lebendig und dynamisch erscheinen. Um den monolithischen Eindruck des Baus hervorzuheben, wurden die Fensterbänke, das Vordach sowie die Dachplatten aus demselben Rohmaterial wie der Putz gefertigt. So verschwimmt der Übergang zwischen der Fassade und den Laibungen der versetzt angeordneten Fensteröffnungen sowie der Dachebene.
Weitere Infos:
www.putzpoesie.de
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Besenstrichputz
Informationen zum Objekt:
Auftraggeber: Wohn- und Siedlungsgenossenschaften Zürich
Architekt: L3P Architekten
Fertigstellung: 2015
Standort: Oberglatt, Zürich
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Kellenwurfputz
Informationen zum Objekt Schmales Wohnhaus in Grafrath:
Bauherr: Dorothee und Andreas Schwab
Architekt: Felix Huber, Architekturbüro Huber, Partnerschaft mbB
Bauzeit: 2016 bis 2020
Standort: Grafrath
Fachhandwerker: Roger Röhrl, Restaurator und Stuckateur
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Kellenstrichputz
Informationen zum Objekt Kita L:
Bauherr: Stadt Leipzig
Architekt: Irlenbusch von Hantelmann Architekten
Fertigstellung: 2019
Standort: Leipzig
Fachhandwerker: Roberto Bergner Bauunternehmen GmbH
www.putzpoesie.de/objekte/von-innen-robust-von-aussen-tuerkis
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Plastischer Rillenputz
Informationen zum Objekt Gemeindehaus:
Bauherr: FeG Kaiserslautern-Nord
Architekt: Bayer&Strobel Architekten
Fertigstellung: 2018
Standort: Kaiserslautern
Fachhandwerker: Burgard Ausbau und Fassade, Homburg
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Gewaschener Grobputz
Informationen zum Objekt Haus am Mühlbach:
Bauherr: Privat
Architekt: Pedevilla Architekten, Bruneck (Italien)
Baujahr: 2014
Standort: Mühlen in Taufers/Südtirol
Fachhandwerker: Pescoller Werkstätten GmbH, Bruneck (Italien) und Decor Srl, Pederoa/Wengen (Italien)