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Dieter Bohlen?

Unverdünnt aufgetragen Mattes und Glänzendes aus dem Malerhandwerk
Dieter Bohlen?

Werner Schledt

„Muss man noch Messen machen?“ will das Malerblatt von seinen Lesern wissen. Ich weiß es nicht. Folglich war ich auch bei der Frage „Muss man dahin?“ unschlüssig, bis, ja bis ich in der Zeitung, die von sich behauptet, hinter ihr stecke immer ein kluger Kopf, eher zufällig las, dass die „Heimtextil“ endlich mit großen Messen, wie der Internationalen Automobilausstellung, bei der regelmäßig die Bundeskanzlerin erscheine, gleichziehen werde, weil Dieter Bohlen leibhaftig seine Anwesenheit zugesagt habe. Der „Leibhaftige“ leibhaftig – das machte mich neugierig, zumal der Tapetenhersteller, der Bohlen als Interpreten seiner „kreativen Ideen für die zukünftigen Tapetenkollektionen“ angekündigt hatte, in seiner Homepage wissen ließ, dies sei eine „oberhammergeile“ Nachricht. Seine Entwürfe seien „unbändig“ (Wer hätte anderes erwartet?), war zu lesen, aber auch „romantisch“ (Das hat sicher überrascht) und er selbst finde sie absolut „megageil“.
Dieter Bohlen als Designer – ist am Ende die „Heimtextil“ spannender als „Heimkino“ fragte ich mich und schlenderte einfach mal hin. Erster Eindruck: Very British! Ohne aufgefrischte Englischkenntnisse hast du kaum ’ne Chance, die richtigen Hallen zu finden. Immerhin, an der Garderobe sprach man deutsch und die Toiletten sind ja dank der Piktogramme kaum zu verwechseln. Ich ortete schließlich „Wall“ als mein Ziel.
Nanu, neben Dieter Bohlen auch noch Dschungelcamp, war mein erster Eindruck: Vermeintlich überall überbordende Muster, oft pflanzliche Motive, groß, bunt und laut. Viele Dekors, von denen man glaubte, sie seien für alle Zeit passé. Mir wurde schlagartig klar, warum man bisweilen Wandverkleidung statt -bekleidung sagt. Wenn das der neue Trend ist, den man ins mitteleuropäische Heim bringen – oder zwingen – will, muss man Bilder und Möbel vorher entsorgen, dann geht’s vielleicht, dachte ich.
Tapete als Selbstzweck
Tapete als Selbstzweck. Bei den Riesen-Stickern empfand ich Ähnliches: Schmuck fürs Heim, wie Tattoo für die Haut. Dass ich mir Notizen machte, erweckte zwar deren Interesse, aber zum Kontakt mit kompetenten Gesprächspartnern kam es erst nach meiner Eröffnung: „Guten Tag, ich schreibe fürs Malerblatt“. Meist wurde ich daraufhin gebeten, Platz zu nehmen und einen Getränkewunsch zu äußern. (Dies vielleicht als nützlicher Tipp für andere Besucher und Messen.) Nachdem ich meinen Malerblatt-Spruch als „Sesam öffne dich“ aufgesagt hatte, demonstrierte man mir dort auch, wie sich selbst extreme Verschmutzungen mittels Desinfektionsmittel in Nichts auflösen lassen.
Ein Künstler, der als Blickfang eine handwerklich gefertigte Wandoberfläche mit illusionistischer Zutat individuell weiterbehandelte, machte mich neugierig auf einen Hersteller, der hauptsächlich auf Kalk basierende Spachtelmassen anbietet, die zu wirklich hochwertigen und anspruchsvollen Wandbeschichtungen verarbeitet werden können. Endlich mal was Überzeugendes, auch die Broschüren edel, diesmal nicht englisch. Stattdessen erfuhr man, dass das Produkt „creativa ad qualita eccellente“ sei – was ja zweifellos stimmte.
Innendämmung
Auch energiesparende Untertapeten mit weiteren guten Eigenschaften interessierten mich. Der Weg zum Stand des entsprechenden Herstellers wurde mir allerdings von einer Prozession versperrt, die von einem Pulk rückwärts laufender, kamera- und mikrofonschwenkender Menschen angeführt wurde. Dieter Bohlen hielt Einzug. Nach dem Blitzlichtgewitter erfuhr man endlich, dass man in ihm einen „Werbepartner mit großer Strahlkraft“ gesucht und gefunden habe, und von ihm selbst, dass er die Muster nicht etwa mit Stiften und Pinseln entworfen, sondern vielmehr mit dem Handy die Fliesen seiner Küche fotografiert und mit der Maßgabe „In die Richtung soll es gehen“ an die Designerin geschickt habe. Die fand das einfach „geil“. Die Kollektion, für die schon Bestellungen aus aller Welt vorliegen, heißt übrigens „it’s different“ und unterscheidet sich wohl vor allem dadurch von anderen. Die Rollen sollen zwischen 15 und 30 Euro kosten. „Massenkompatibel“ sollen sie sein, so wie seine Musik.
Aufs genaue Gegenteil, auf höchst individuelle Tapeten nämlich, traf ich bei „Marburg“ – und auf Dieter Buhmann, einen langjährigen Weggefährten aus früheren Jahren. Er präsentierte mir zwei Kollektionen, die er ihrer technischen und gestalterischen Qualität wegen zu Recht als Originale bezeichnet, eine von Luigi Colani entworfen. Lichtblicke. Zu denen zählten auch die Wandbekleidungen mit Lichteffekten eines anderen Anbieters. Schade, dass ich bei „Rasch“ eine Kollektion der guten alten Bauhaustapeten nicht mehr gefunden habe.
Auf dem Weg zum Ausgang zog mich unter vielen Motiven noch ein brillantes Farbfoto von Cinque terre an, das, wie viele andere Motive, als einteiliger Wandbelag zu haben ist. Keine neue, aber eine gute Idee – leider noch nicht ausgereift: Es fehlt noch die unvergleichliche Duftnote der Macchia und das integrierte akustische Modul für Möwengeschrei. Dann könnte man Italienurlaub zuhause machen – und das Auto alleine dorthin fahren lassen. Aber diese Möglichkeit wird uns auf der anderen Messe präsentiert. Bei der dann Angela Merkel erscheint. Bis dahin kommt eine Bildwand für mich nicht aufs Tapet.

PRAXISPLUS

Mit offenen und hellwachen Augen Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, den Menschen zu- hören und manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Frankfurter Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und auch Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9-11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310 Fax: (069) 750010-340
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