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Im Pferdegalopp

Unverdünnt aufgetragen Mattes und Glänzendes aus dem Malerhandwerk
Im Pferdegalopp

Werner Schledt

Sixt war mal wieder am schnellsten: Der Autoverleiher schaltete schon einen Tag nach Bekanntwerden des Pferdefleischskandals eine Anzeige für einen preiswerten Mietwagen mit der Unterschrift „Günstiger kriegen Sie so viele Pferde nur in der Lasagne.“ Offensichtlich sind bei denen für solch schnelle Reaktionen, die dem Kunden bestätigen, dass er es mit einem pfiffigen Partner zu tun hat, der stets up to date ist, „die Pferde stets gesattelt.“ Wären wir nicht so langsam, hätten wir aus dem anschließenden Hühnerskandal auch was gemacht. Für unsere Kunden farbige Ostereier zum Beispiel – natürlich aus artgerechter Haltung, vielleicht mit dem Hinweis: „Garantiert nicht von eingepferchten Hühnern, weil direkt vom freilaufenden Osterhasen“.
Im Zusammenhang mit dem Lebensmittelskandalen der letzten Zeit macht auch eine neue Wortschöpfung in Verbindung mit dem Internet Furore: Shit-storm. Ich habe bei Google dafür die Bedeutung „Sturm der Entrüstung“ gefunden, aber ganz zufällig auch die mir bislang unbekannte Variante einer gängigen Redewendung, die den Lasagne-Herstellern bei ihren Kreationen vielleicht Pate gestanden hat: „Einem beigemischten Gaul schaut man nicht ins Maul.“
Jetzt könnte man mit dem Konterfei von Barack Obama – augenzwinkernd pointiert – für unseren „farbigen“ Beruf um Lehrlinge werben. Der amerikanische Präsident hat nämlich dieser Tage in seiner Rede zur Lage der Nation unser duales Ausbildungssystem in höchsten Tönen als vorbildlich gelobt. „Diese deutschen Kids sind bereit für den Job, wenn sie die Schule abschließen“, sagte Obama.
Dass die Länder mit hoher Arbeitslosigkeit jetzt auf unser duales System fokussiert sind, mit dem jungen Menschen der ernüchternde Praxisschock erspart bleibt, weil sie in den Beruf hineinwachsen, müsste endlich auch die verstummen lassen, die dieses bewährte System immer wieder kritisiert haben, weil es angeblich zu einer niedrigen Akademikerquote führe.
Ein deutscher Geselle musste sich mit seinem Können noch nie hinter einem südeuropäischen Dottore verstecken – und hinter einem deutschen Akademiker auch nicht. Noch dazu: Wirtschaftlicher Erfolg als höchstes erstrebenswertes Ziel wird zunehmend in Frage gestellt. Andere Werte gewinnen an Bedeutung. In diesem Zusammenhang beurteilte jüngst der amerikanische Soziologe Richard Sennet in einem Beitrag über arbeitslose Bankangestellte und glückliche Handwerker die Handwerks-Werkstatt als Modell für gelungene Zusammenarbeit: „Die Werkstatt war schon in der Antike die wichtigste Grundlage des städtischen Lebens, des bürgerlichen Daseins. In ihr haben sich komplexe soziale Rituale entwickelt. Wie Lehrlinge, Gesellen und Meister miteinander umgehen, beruht auf einem Ehrenkodex. In der Werkstatt geht es menschlich zu.“ Prominentes Lob des Handwerksbetriebes als gute Schule fürs Leben. Es scheint, dass die Amerikaner gerade Deutschland entdeckt haben.
In den großen überregionalen Zeitungen und auflagenstarken Illustrierten spielen Leserbriefe eine große Rolle. Die „Frankfurter Allgemeine“ zum Beispiel verwendet für deren Veröffentlichung und Beantwortung jede Woche eine ganze zusätzliche Seite dafür. Darüber hinaus hat sie noch eine Rubrik für Leserfragen zur Literatur, die sich an Marcel Reich-Ranicki richten, eine zum Fernsehen, die Thomas Gottschalk bearbeitet und eine satirische „Fragen an Helmut Schmidt“ hinter dem sich freilich nicht der Altkanzler verbirgt. Bei Lesern sind die Briefe als kurze und kurzweilige Lektüre beliebt. Viele schlagen die Seite mit den Leserbriefen zuerst auf.
Bei Fachzeitschriften ist das nicht so. Warum eigentlich? Haben die Fachzeitschriften der Handwerker am Ende mehr Abonnenten als Leser? Diese Kommunikation ist doch für Schreiber, Leser und Redaktion gleichermaßen interessant: Erstere erhalten Antworten auf ihre Fragen, die in Artikeln nicht oder nicht ausreichend beantwortet wurden und die Redaktion erfährt, was ihre Kunden denken und wissen wollen. Sollte man sie nicht mehr forcieren, die Leserbriefe – z.B. indem man die Leser dafür brieft?
„Es kommt nicht darauf an, das Rad neu zu erfinden, sondern es schneller zu drehen, ohne dass wir schneller rennen müssen.“ Das sagt Joachim Schabel im „HS-report“ über das Baustellencamp bei Heinrich Schmid, in dem jeweils Teams im Wettbewerb zueinander für die gleiche Arbeit die effektivste Arbeitsweise ermitteln und so unter Anleitung von Moderatoren aus dem Bereich „Prozesssteuerung Baustelle“ lernen, Aufträge besser und rationeller abzuwickeln. Dabei geht es primär nicht um neue Techniken, sondern um höhere Produktivität durch Änderungen des Verhaltens. Ich finde: Super-Sache.
Jede Arbeit soll mindestens so entlohnt werden, dass man anständig davon leben kann. Gut gebrüllt. Aber so wie über Nacht alle für den Ausstieg aus der Atomenergie waren und sich jetzt über steigende Strompreise beklagen, wird es auch beim Mindestlohn gehen, den jetzt alle fordern. Spätestens bei der Preiserhöhung fürs Haareschneiden wird das Gemeckere losgehen. Meiner Friseuse wäre es lieber, wenn sie ihr Trinkgeld nicht versteuern müsste.
Erinnerung an Oskar Glaab
Oskar Glaab, der langjährige Geschäftsführer der Innung Frankfurt und des hessischen Landesinnungsverbandes ist kürzlich verstorben. Mit mir werden sich viele seiner dankbar erinnern. Noch wörtlich im Gedächtnis sind mir die Worte, mit denen der damalige Landesinnungsmeister Willi Riedel bei der Verabschiedung von Oskar Glaab in den Ruhestand dessen große Verdienste gewürdigt hat: „Sie haben, Sie haben, Sie haben…“ Damit charakterisierte er treffend eine der Kardinaltugenden von Oskar Glaab: Nicht nur Fragen beantworten und Probleme lösen, die von den Mitgliedern an ihn herangetragen wurden, sondern Initiativen ergreifen. Dazu gehörte gleich zu Beginn seiner Tätigkeit die Gründung der legendären „Gruppe 20.13“ ebenso, wie die Herausgabe der Verbandsmitteilungen „pigment“, die noch heute die Innungsmitglieder direkt informieren. Die Einrichtung einer Betriebsberatungsstelle, die ich als erster innehatte, die Entwicklung eines Vortragsdienstes für die Innungen und ein Seminarprogramm für Unternehmer im Malerhandwerk gingen auf seine Initiative zurück. Die Einführung methodischer Rationalisierung durch Gründung des heute noch bestehenden REFA-Kreises war eine seiner vielen Ideen und auch die Ausbildungsoffensive mit der Gütegemeinschaft „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“, die schon bald mit einem Ausbildungs-Oskar ausgezeichnet wurde, war von ihm initiiert. In seiner Amtszeit starteten die „Ambulanten Seminare“, die Kollegen über zwei Jahrzehnte um die halbe Welt führten. Zu den herausragenden Verdiensten gehört zweifellos die Werbekampagne, die er in Hessen startete und die schließlich bundesweit Furore machte. Er hat die Werbung im Maler- und Lackierhandwerk eingeführt. Oskar Glaab, das war auch der Name, den ich zuerst nannte, als ich bei der Vorbereitung zu meiner Verabschiedung gefragt wurde, wer mich am meisten geprägt habe und Vorbild gewesen sei. Oskar Glaab war mir Vorbild, Förderer und Freund.
Ich werde ihn nie vergessen.

PRAXISPLUS

Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH.
Werner Schledt
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