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Kreative Vielfalt bei Ausstellung „Meister in Form und Farbe“

Ausstellung „Meister in Form und Farbe“
Kreative Vielfalt

Liebhaber kreativer Handwerksarbeit kamen bei der Ausstellung „Meister in Form und Farbe“ auf ihre Kosten: Im Regierungspräsidium in Karlsruhe wurden die besten Arbeiten der Meisterprüfungen, die im Maler- und Lackiererhandwerk in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr abgelegt wurden, präsentiert.

Autorin I Fotos: Susanne Sachsenmaier-Wahl

Es ist immer wieder eine Freude, durch die Ausstellung „Meister in Form und Farbe“ zu wandeln. Wer der Meinung ist, Maler seien „bloß Anstreicher“, der wird hier definitiv eines Besseren belehrt. Die 34 Meisterprüfungsarbeiten, die in diesem Jahr im Regierungspräsidium am Rondellplatz in Karlsruhe ausgestellt waren, zeigten die ganze Bandbreite des Malerberufs: Lacktechniken, Airbrush, Spachteltechniken, Freihandmalereien, Vergoldungen, Putzarbeiten, Beton-, Holz- und Rostimitationen und noch vieles mehr. Der Jury, die insgesamt sechs Auszeichnungen zu vergeben hatte, dürfte die Entscheidung angesichts des durchweg hohen Niveaus der Prüfungsarbeiten alles andere als leicht gefallen sein.

Vier Auszeichnungen für Stuttgart

Vier der Auszeichnungen gingen an Absolventen der Stuttgarter Schule für Farbe und Gestaltung.

Sehr viel Feingefühl im Umgang mit Farben und Materialien bewies Kerstin Hübner bei der Gestaltung eines Geigenateliers. Sämtliche Techniken, die allesamt das Thema Geige und Musik verkörpern, präsentierte die frischgebackene Meisterin in hellen Naturfarbtönen. So schablonierte Kerstin Hübner auf eine mehrschichtige, gefleckt aufgetragene Kalkspachteltechnik mit eingefärbter Seife eine Geigensilhouette auf, übertrug einen Pigmentdruck (selbstverständlich ein Geigenmotiv) auf einen gefilzten Lehmputz und ein gedrucktes Bild, das Geigendetails miteinander kombiniert, mithilfe von Aceton auf eine glatte Fläche. Das Tüpfelchen auf dem i bilden bei der zuletzt genannten Technik fragmentartig gesetzte Verkupferungen. Leicht und fast ein bisschen antik wirkt eine Durchschleiftechnik der Stuttgarter Absolventin: An den – mal mehr, mal weniger stark – abgetragenen Stellen der Spachtelschicht kommen Notenblätter zum Vorschein, die die Malermeisterin zuvor tapeziert hatte. Kerstin Hübner erhielt für diese stimmige Prüfungsarbeit die Auszeichnung der Firma ProfiTec.

Ideen für einen Stand für die Frankfurter Buchmesse, auf dem die Jugendkrimireihe „Die drei Fragezeichen“ präsentiert werden sollte, hatte Tim Scheufler für seine Meisterprüfungsarbeit gesammelt. Der Absolvent der Stuttgarter Schule hatte, in Anlehnung an die Büchercover, die meist einen schwarzen Hintergrund besitzen, verschiedene Techniken in Schwarz mit kräftigen Farbakzenten entwickelt. Eine mit der Lammfellwalze nach dem Aufziehen strukturierte schwarze Polymerspachtelmasse, die nach der Trocknung verpresst wurde und so partiell Glanzstellen aufweist, bildet den Hintergrund für drei große Fragezeichen. Diese zieren verschiedene Motive aus den Krimigeschichten, die mithilfe eines speziellen Pigmentdrucks auf eine glatt aufgezogene Spachtelmasse transferiert wurden. Beeindruckend wirkte auch das überdimensionale Konterfei Alfred Hitchcocks, das als Hinterglaslackierung ausgeführt worden war. Die unlackierten Glasflächen gaben dabei den Blick auf einen Text frei. Tim Scheufler durfte sich über die Auszeichnung der Signal Iduna freuen.

Apfelwein und Rammstein

Apfelwein modern in Szene setzt nicht nur der Getränkehersteller „Bembel-with-care“, der das Getränk in verschiedenen Geschmacksrichtungen vorrangig in Dosen anbietet, sondern auch Bianca Schmitt. Die frischgebackene Meisterin, die ihre Prüfung in Stuttgart ablegte, hatte ein Gestaltungskonzept für den Verkaufsraum des Getränkeherstellers entworfen und dafür eine Auszeichnung von Brillux erhalten. Sie funktionierte einfaches WDVS-Gewebe in eine „Schablone“ für eine Echtmetallspachtelung in Aluminium und Messing um. Die anschließend geschliffene und gewachste Oberfläche dient als Hintergrund für eine Hinterglaslackierung, die einen Schriftzug des Getränkeherstellers zeigt. Antik und edel zugleich zeigt sich eine Kombination aus einer Echtmetallspachtelung und einem Kalk-lehmputz mit plastisch hervorgehobener Schrift, der wie abgebröckelt wirkt. Eine eigens angefertigte Tapete mit Firmenlogos, die im Schachbrettmuster angeordnet wurden, dient als Untergrund für eine weitere Gestaltungstechnik von Bianca Schmitt. Die Tapete wurde zunächst mit einem Parkettlack versiegelt, danach wurden die weißen Felder des Schachbretts mit einer Wachslasur überarbeitet, die schwarzen wurden mit einer metallischen Effektspachtelmasse fleckgespachtelt.

Gestaltungsideen für einen Fanshop der derzeit eher umstrittenen deutschen Metal-Rockband Rammstein hatte Nico Tebacher entwickelt. Er erhielt dafür eine Auszeichnung der Firma Sto. Seine Gestaltungstechniken reichen von einer Rostimitation über eine an verkohltes Holz erinnernden Oberfläche, eine Spachtel- und eine Putztechnik bis zu einer Metallplatte, auf die der Schriftzug der Band lackiert wurde.

Bienen und Gitarren

Über die verbleibenden zwei Auszeichnungen konnten sich in diesem Jahr Absolventen der Heinrich-Hübsch-Schule in Karlsruhe freuen.

Dominik Rauscher hatte sich mit der Gestaltung eines „Bienenlädls“, also eines Geschäftes, in dem Imkerei-Produkte angeboten werden, befasst. Für seine Prüfungsarbeit fertigte er 26 wabenförmige Platten an, auf denen sich sechs Malertechniken finden, die wiederum die Wabenform aufgreifen. Neben einer Lackierarbeit, einer Hinterglasvergoldung, einer Betonoptik und einer Schriftgestaltung zeigte der Malermeister einen mineralischen Modellierputz, den er mit Lasur und Goldfolie überarbeitete. Diese Technik stellt einen gelungenen Bezug zum Beinamen „flüssiges Gold“ für den Honig her. Die Blicke auf sich zog dennoch eine andere Kreativtechnik in Rauschers Meisterprüfung: eine Riss-Spachtelung auf Acrylglas, die eine gelbe Farblasur erhalten hatte. Der Clou an dieser Technik: Durch die Risse in der Spachtelmasse schimmerte sanftes LED-Licht, das in bestimmten Abständen seine Farbe wechselte und so der Technik immer wieder eine andere Optik bescherte. Für seine kreativen Ideen und die hochwertige handwerkliche Ausführung der Techniken erhielt Dominik Rauscher eine Auszeichnung der Firma Farben Klotz.

Über die Auszeichnung der Firma Caparol durfte sich Eva-Maria Meinzer von der Karlsruher Meisterschule freuen. Sie zeigte, wie kreativ eine Gitarrenabteilung in einem Musikhaus gestaltet werden kann. Sie kombinierte eine Lacktechnik, eine Kalkspachteltechnik, eine Hinterglasvergoldung und eine Silberperlmutt-Effektlasur auf einer anthrazitfarbigen Grundierung mit einer Echt-rost-Optik. Letztere wirkte unter den übrigen eher edlen Techniken keinesfalls wie ein Fremdkörper. Durch die gezielte Applikation des Aktivators mit einem Schwamm erzielte Meinzer eine sehr ansprechende Oberfläche, die dem Begriff „Edelrost“ alle Ehre macht.

Malereien und Imitationen

Doch nicht nur die ausgezeichneten Prüfungsarbeiten machten einen Besuch der Ausstellung zum lohnenden Ereignis. Ann-Marie Götz (Stuttgart) beispielsweise hatte ein großformatiges Wandgemälde für den Schuhhersteller Dr. Martens entworfen. Die Umsetzung erfolgte dabei in verschiedenen Techniken: mal mit Pastellkreide, mal mit Acrylfarbe, mal auf einem Lehmputz ausgeführt, mal auf einer Betonoptik, in die Sohlenabdrücke integriert waren.

Äußerst natürlich anmutende Techniken präsentierte Marcel Bokowits (Stuttgart) für die Geschäftsräume eines Unternehmens, das eine App für sichere Outdoor-Touren entwickelt hat. Bokowits Naturmaterialimitationen – mal in Anlehnung an Baumrinde, mal an eine raue Felsoberfläche erinnernd – wirken sehr authentisch. Entstanden sind sie aus herkömmlicher Zement-Wandspachtelmasse, die strukturiert und anschließend lasiert wurde. Einen Hingucker bildet auch die „Blätterwand“, ein Kalkputz mit Abdrücken von Blättern, der grün lasiert wurde. Einzelne Blattrippen wurden abschließend durch eine Blattmetallauflage hervorgehoben.

Streetfood und Gewerbepräsentation

Gestaltungsvorschläge für das 2023 in Ulm stattfindende Streetfood-Festival sollten die Absolventen der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule für ihre Meisterprüfung entwerfen. Die Techniken, Materialien und Farbtöne sollten dabei zum jeweiligen Thema passen. Jasmin Ficcociellos Wahl fiel auf die italienische Teigware Panzarotti. Für die Gestaltung des „Restaurants“ entschied sie sich u. a. für eine Sandsteinimitation sowie für ein aufgemaltes traditionelles Fliesenmuster. Fabian Zwerger gestaltete eine Fish & Chips-Bude aus, bei der vor allem die in Gold gefassten Kronen (als Hommage an die britische Monarchie) auf einer mineralischen Lasur ins Auge fielen. Mit einer farbstarken Wandgestaltung mit Motiven der französischen Lilie entführte Nadine Wolfgang die Ausstellungsbesucher nach Frankreich und in der Restaurant-Bude von Luan Kukic sorgten ein folkloristisches Muster, ausgeführt in Lasurtechnik, und eine Holzimitation, die eine feurig rote Chilischote ziert, für mexikanisches Flair.

Wie können Gewerberäume, Messestände, etc. ansprechend gestaltet werden? Bei den JungmeisterInnen der Badischen Fachschule Lahr gab es hierzu viele Anregungen. Sophie Schröder etwa präsentierte eine Wand in Reptilhautoptik, in die eine Gliederkette eingearbeitet war. Sarah Wolber ließ das Herz für Pferde höher schlagen und bettete eine in Gold gefasste EKG-Kurve in eine Kammzugtechnik ein. Eine äußerst gelungene Betonimitation gab es in der Prüfungsarbeit von Dominik Störk zu sehen. Letztere beherrscht auch Eva-Maria Armbruster von der Gewerbeschule Mosbach perfekt, wie sie auf ihrem Meisterstand, den sie ihrer zukünftigen Selbstständigkeit widmete, bewies.

Den Besucher informieren

Einziger Wermutstropfen in der insgesamt sehr gelungenen Ausstellung: Nicht alle Meisterstände waren mit Beschreibungen versehen. Das machte es dem Besucher nicht nur schwer zu erkennen, worum es inhaltlich bei der Meisterprüfungsarbeit ging bzw. wofür das Konzept entworfen wurde, sondern minderte auch den Wert der hochkarätigen handwerklichen Leistungen teilweise. Denn nur, wenn dem Besucher offenbart wird, welcher Handwerkskunst es bedarf, um aus einem relativ schlichten Ausgangsmaterial eine edle Oberfläche entstehen zu lassen, kann er diese auch schätzen. Die Angst, dass der Laie deshalb selbst zu Kelle, Pinsel oder gar Spritzpistole greift, um das Kunstwerk zu kopieren, dürfte indes unbegründet sein…

Viele weitere Fotos von der Ausstellung gibt es auf www.malerblatt.de.

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