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Gipsplatten beschichten ohne vorher zu Grundieren

Gipsplatten beschichten
Abweichung mit Tücken

Mit Trockenbau- oder Gipskartonfarben lassen sich Gipsplatten beschichten, ohne diese vorher zu grundieren. Allerdings entspricht dies nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Welche Konsequenzen sich für den Maler/ die Malerin daraus ergeben, lesen Sie hier.

Autoren: Dr. Oliver Nicolai/ Bodo Schmidt

Sogenannte Trockenbaufarben oder Gipskartonfarben werden in der Regel mit dem besonderen Merkmal ausgelobt, dass sie keine gesonderte Grundierung (Grundbeschichtung mit einem auf den Untergrund abgestimmten Grundbeschichtungsstoff) vor der Beschichtung von Gipsplatten erfordern.

Beworben werden die Produkte insbesondere für Do-It-Yourself-Anwendungen, es gibt aber auch Profiprodukte mit vergleichbarer Auslobung. Der Technik- und Sachverständigenausschuss im Bundesverband Farbe hat bestätigt, dass das Erstbeschichten von Gipsplatten ohne gesonderte Grundbeschichtung von den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik abweicht.

Gipsplatten beschichten: Sonderlösung mit Konsequenzen

Diese Ausführungsart stellt damit eine Sonderlösung (vgl. auch Sonderkonstruktionen, die laut DIN 18195:
2017-07 Konstruktionen sind, die nicht normativ geregelt sind) dar, der die Anerkennung in Regelwerken fehlt und die auch von der Mehrheit der Fachleute nicht getragen wird. Juristisch werden Sonderlösungen üblicherweise als weniger zuverlässig gebrauchstauglich eingestuft. Sie können sich aber auch in der Praxis bewährt haben, ohne in Normen genannt zu werden. Für die Ausführung von Leistungen, die nicht den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ergeben sich außerdem – insbesondere beim fachunkundigen Privatkunden – Hinweispflichten.

Regelwerke

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik spiegeln sich typischerweise z. B. in Normen, Merkblättern und Richtlinien wider. Diese Regelwerke unterliegen einer Beobachtung durch Fachkreise und benötigen die Anerkennung durch die Mehrheit der Fachleute, um weiterhin allgemeinen anerkannte Regeln der Technik zu bleiben. Insbesondere bei Widersprüchen in verschiedenen Regelwerken oder Merkblättern ist diese Anerkennung entscheidend.

Wesentliche Regelungen zur Erstbeschichtung von Gipsplatten sind:

  • VOB/C ATV DIN 18363 (2019): 3.2.1 Erstbeschichtungen auf mineralischen Untergründen, Gips- und Gipsfaserplatten: „Es ist eine Grund- und eine Schlussbeschichtung auszuführen. (…)“
  • BFS-Merkblatt 12 (2007), Oberflächenbehandlung von Gipsplatten (Gipskartonplatten) und Gipsfaserplatten, Abschnitt 4: „Gemäß VOB/C DIN 18363, Abschnitt 3.2.1 besteht der Standard-Anwendungsfall bei beschichteten Oberflächen in einer Grund- und Schlussbeschichtung – bei rissfreien Plattenstößen.
    4.2 Grundierung: Die Anforderungen an Grundbeschichtungen sind je nach der vorgesehenen Beschichtung oder Verklebung unterschiedlich. Werkseitig aufgebrachte Grundierungen oder Imprägnierungen der Platten ersetzen nicht generell die Grundbeschichtung für die vorgesehene Beschichtung oder Verklebung. Sie sind nicht immer für jede Art der Oberflächenbehandlung in gleicher Weise geeignet. Auch wegen der meist stark saugfähigen Spachtelflächen ist in der Regel eine zusätzliche Grundbeschichtung erforderlich. Fertig gespachtelte Gipsplattenoberflächen (Gipskartonplatten) sind immer zu grundieren.
    4.2.1 Vorbehandlung für Beschichtungsarbeiten: Verspachtelte Gipsplatten- und Gipsfaserplattenoberflächen sind je nach Oberflächenbehandlung mit einem speziellen, auf die spätere Beschichtung abgestimmten Grundbeschichtungsstoff vorzubehandeln. Die Herstellerempfehlung ist dabei zu beachten.
    Bei alkalischen Beschichtungsstoffen und Putzmörteln und bei vorhandenen Kartonvergilbungen ist eine absperrende Grundierung/Beschichtung auszuführen.“
  • IGG-Merkblatt 6 (2016), Vorbehandlung von Trockenbauflächen aus Gipsplatten zur weitergehenden Oberflächenbeschichtung bzw. -bekleidung: „2 Grundsätzliches zur Grundierung: Vor weiterer Beschichtung und Wandbekleidung (Tapezierung) sind Gipsplattenoberflächen immer vorzubehandeln und zu grundieren. Erst mit einer entsprechend abgestimmten Grundierung lässt sich die notwendige gleichmäßige Saugfähigkeit und Festigung der Oberfläche erreichen.“
  • IGG-Merkblatt 2 (2017), Verspachtelung von Gipsplatten, Oberflächengüten: „Oberflächenbehandlungen (z.B. Anstriche, Tapeten, Putze) dürfen erst ausgeführt werden, wenn das Spachtelmaterial abgebunden und durchgetrocknet ist. Darüber hinaus ist ein auf den Untergrund und die spätere Beschichtung/Wandbekleidung abgestimmter Grundbeschichtungsstoff (z. B. Grundiermittel) vom Nachfolgegewerk aufzubringen (…). Auch bei Nachbesserungen der Verspachtelung (z. B. Reparaturspachtelung) ist dies zu beachten.“
  • BFS-Sonderinformation (2020), Haftfestigkeitsstörungen von Beschichtungen auf verspachtelten Gips(karton)platten: „Haftfestigkeitsstörungen werden verstärkt auf dünnen Spachtelschichten beobachtet, die bei Verspachtelungen entsprechend den Qualitätsstufen Q2 und insbesondere Q3 zwangsläufig vorhanden sind. Nicht ausreichend tragfähige dünne Spachtelschichten werden vorwiegend bei Gipsspachtelmassen beobachtet, die durch Hydratation verfestigen, nicht aber bei Dispersionsspachtelmassen. Diese Haftfestigkeitsstörungen treten insbesondere dann auf, wenn vor der Beschichtung kein oder kein geeigneter Grundbeschichtungsstoff aufgetragen wurde.“

Den Regelfall und die übliche Ausführungsart stellt damit die Beschichtung mit vorangegangener gesonderter Grundbeschichtung dar. Schäden an mit Gipsspachtelmassen verspachtelten Gipsplatten, wo prinzipbedingt instabile Spachtelzonen auftreten, die durch eine Grundierung (teilweise) gefestigt werden können, zeigen, dass die Regelausführung auch eine höhere Anwendungssicherheit bedeutet.

Konsequenzen

Konsequenzen beim Einsatz einer „Trockenbaufarbe“, die nach technischem Merkblatt des Herstellers ohne gesonderte Grundbeschichtung ausgeführt werden kann:

  • VOB-Vertrag: Liegt ein VOB-Vertrag zugrunde, ist der Verzicht auf eine gesonderte Grundbeschichtung eine Abweichung von der vereinbarten Ausführung (Beschaffenheit): „Es ist eine Grund- und eine Schlussbeschichtung auszuführen.“
  • Individueller Vertrag ohne Vereinbarung eines speziellen Beschichtungsstoffes (BGB): Es liegt eine Abweichung von der üblichen Ausführung vor. Die übliche Ausführung ist durch die a. a. R. d. T. gegeben, die in diesem Fall durch die DIN 18363, BFS- und IGG-Merkblätter beschrieben werden, die diesbezüglich nach wie vor in Fachkreisen anerkannt sind.
  • Individueller Vertrag mit Vereinbarung der speziellen Trockenbaufarbe: Die vereinbarte Leistung wird erbracht, es liegt jedoch eine Abweichung von den allgemeinen anerkannte Regeln der Technik
    Beim Angebot der Leistung an einen fachunkundigen Privatkunden gibt es eine Hinweispflicht (Aufklärung zu Vor- und Nachteilen).
    Ist die Leistung durch den Planer vorgegeben, kann z. B. nach Untergrundprüfung durch den Ausführenden und Bedenken gegen die vorgesehene Ausführung der übliche Mechanismus greifen: Bedenkenanmeldung/Leistungsänderung/ggf. Nachtrag oder Bedenkenanmeldung/Haftungsfreistellung.

Ergebnis

Der Verzicht auf Grundbeschichtungen oder die Verwendung von Produkten („Trockenbaufarben“), die bei der Erstbeschichtung von Gipsplatten eine gesonderte Grundierung erübrigen, entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Durch die verschiedenartigen am Markt eingesetzten Spachtelmassen besteht im allgemeinen Anwendungsfall ein Risiko von technischen oder optischen Beeinträchtigungen der Beschichtung, wenn auf gesonderte, an den Untergrund angepasste Grundierungen verzichtet wird.

Als Sonderlösung können Erstbeschichtungen auf Gipsplatten ohne gesonderte Grundbeschichtung vereinbart werden. Dabei sind aus technischen Gesichtspunkten die Vorgaben der Hersteller genau zu beachten. Zusätzlich müssen die vertraglichen Verhältnisse mit den möglichen Konsequenzen wie Hinweispflicht, Bedenkenanmeldung, Haftungsfreistellung beachtet werden.

Weitere Informationen:
www.farbe.de

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