Startseite » Technik » Bautenschutz & Denkmalpflege »

Herausfordernde Sanierung

Bautenschutz & Denkmalpflege
Herausfordernde Sanierung

Handwerker wissen: Fassadensanierungen an Altbauten sind herausfordernd. An der Essener Bärendelle musste an 25 Häusern Bauschäden beseitigt werden. Das ganze natürlich mit einem ansprechenden Farbkonzept. Wie das gelang, erfahren Sie hier.

Autor | Fotos: Jürgen Kuhmann

Die Arbeit begann mit einer gründlichen Bestandsanalyse. Die umgebenden Straßen unterscheiden sich in ihrer Anordnung, ihrer Nutzung, ihrer Geometrie und natürlich in ihrer Ausrichtung. Das Karree steht nicht isoliert, sondern in Beziehung zu der umgebenden bebauten und teilweise begrünten Umgebung. Das Ensemble harmoniert auch mit der gegenüberliegenden Bebauung. Typisch für das Karree an der Bärendelle ist, dass die Fassaden der Straßenseiten individuell gestaltet sind. Allerdings: Lediglich in der Dahnstraße wirken die Fassaden durchgehend homogen und zusammenhängend. In der Mitte des Karrees steht die ehemalige „Volksschule an der Bärendelle“. Sie wurde gemäß der Denkmalliste NRW um 1910 erbaut.

Der Innenhof der ehemaligen Schule wird von den beiden U-förmigen Flügeln regelrecht umschlossen. Die Zugänge von beiden Seiten wirken wie große Tore, die den Blick auf die Parkseite öffnen. Außerdem gibt es zwei weitere Portale, die den Charakter von Torbögen haben und den Zugang zur Grünanlage ermöglichen. An den Eckpunkten des Karrees befinden sich regelrechte architektonische Leuchttürme, die durch ihre Form (Rundung) oder ihre Dimension (Turm) eine herausragende Position einnehmen.

Besonders interessant und für den Baustil charakteristisch ist die architektonische Gliederung der Hofseite. Im Gegensatz zur Außenseite ist diese fast durchgehend gleich gestaltet. Offensichtlich wurde hier großer Wert auf den Erholungscharakter der Wohnanlage gelegt. Der Innenhof bildet nicht nur eine grüne Oase, sondern die Wohnungen verfügen auch durchgängig über gestaltete Loggien, die den Bewohnern der Obergeschosse die Teilnahme am Parkleben ermöglichen.

Farbidee und Farbfindung

Basierend auf der Analyse des Ist-Zustandes und der Überlegung, welche Prioritäten zu setzen sind, ergaben sich folgende Überlegungen, die dem Grobkonzept zugrunde liegen:

Wesentliche Faktoren:

  • die jeweilige Himmelsrichtung des Straßenzuges
  • die Architektur
  • der Baustil (historisch, vereinzelt Nachkriegsbauten)
  • der Abstand und der Bezug zur benachbarten Bebauung, Begrünung
  • die Funktion des Gebäudes (Ecksituation, Durchgang)
  • laute/leise Stimmung bedingt durch die Verkehrssituation
  • laute/leise Stimmung bedingt durch optische Einflüsse, speziell der angrenzenden Bebauung
  • Übergänge und Verbindungen der Farbwechsel
  • die Wirkung der Farben auf den Betrachter (Bewohner, Passanten)
  • die in Teilen sehr starken Oberflächenstrukturen

Die genannten Faktoren beeinflussen die allgemeine Stimmung, die durch die Farbgestaltung vermittelt wird.

Grobkonzept an konkretem Beispiel

Die Freytagstraße hat in zweierlei Sinne eine besondere Prägung. Einerseits gibt es hier, beginnend mit der Überecksituation, einen Wohnblock, der sich architektonisch deutlich als Nachkriegsgebäude (50/60er-Jahre) zeigt. Andererseits gibt es auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Teil eine wesentlich reduzierte Farbigkeit an den Gebäuden.

Um die Eigenständigkeit der Nachkriegsbauten herauszustellen, war eine intensivere (nicht bunte) Farbigkeit hier angemessen. Die vertikale Gliederung der Treppenhäuser ist ein belebendes und gliederndes Element, welches wieder aufgenommen werden sollte. Die Überecksituation im Übergang zur Kerckhoffstraße ist nicht im Bestand und kann somit wie ein weiteres Haus an der Kerckhoffstraße nicht mit in das Konzept einbezogen werden. Bedauerlich ist dies in diesem Zusammenhang, das unter den vorgenannten Gebäuden eines besteht, welches eine deutlich herausstechende, negative Farbwirkung in einem grellen Gelb mit farblich abgeschnittenem Obergeschoss hat.

Präsentation und Umsetzung

Um allen Beteiligten die Farbgebung zu veranschaulichen, wurde vorab für jeden Straßenzug basierend auf dem Aufmaß vor Ort (Bauzeichnungen standen nicht zur Verfügung) eine Ansichtszeichnung erstellt und koloriert.

Im Weiteren wurde dem Auftraggeber die geplante Farbfassung für jede Fassadenfläche visualisiert. Zudem dienten diese der Kommunikation zwischen Farbgestaltern, dem ausführenden Malerbetrieb Heinrich Schmid und in Teilen mit der Denkmalbehörde.

Naturgemäß gibt es bei Projekten dieser Größenordnung Unvorhersehbares, sowohl für den Farbplaner als auch für die Ausführenden. Farbplanerisch wurde im Laufe des Prozesses ein Umdenken erforderlich, da das Amt für Denkmalpflege ein Interesse an einem Großteil des Karrees mitzusprechen, bekundete, obwohl dieses nicht in der Denkmalliste verzeichnet ist.

Historischer Hintergrund

Die baugeschichtliche Bedeutung dieses Objektes liegt darin, dass es mustergültig den Wandel der Zeit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts repräsentiert. Begründet durch die prosperierende Industrie wuchsen die Städte rapide an.

Nachdem die Architektur jahrzehnte lang durch die Gründerzeit und den Historismus geprägt worden war, gab es um die Jahrhundertwende das Bestreben nach Veränderungen. Der Begriff des „Neuen Bauens“ kam auf. Der Deutsche Werkbund wurde gegründet. Die Bewegungen waren ein Plädoyer für eine Versachlichung der Formensprache. Die sogenannte Heimat(schutz)architektur und nicht zuletzt der Jugendstil kamen zu ihrer Blütezeit und zeigten die Bandbreite neuer Impulse für das Bauen.

„Einfachheit, Reinheit, Schönheit sowie gesundes Leben in Licht und Luft, zentrale Werte der Bewegung für Lebensreform.“ (Quelle: Mémoire régionele) Auch der Gedanke an eine bessere Lebensqualität, das Bewußtsein für ein gesundes Leben wurde präsenter. Das erste Reformhaus wurde 1900 in Wuppertal gegründet.

Lichtoffene Architektur zur Straße

Aus dieser Zeit der Umwälzungen stammt das Ensemble an der Bärendelle. Bezeichnend für die neue Wohnqualität sind die großzügigen Grünflächen und die lichtoffene Architektur zur Straße und zur Hofseite; Letztere durch angelegte Loggien entsprechend dem Anspruch, Wohnraum mit mehr Licht und (besserer) Luft zu schaffen.

Fazit

Einzelne wünschenswerte Detaillösungen (Akzentuieren der Haustüren) fielen pragmatischen Aspekten zum Opfer.

Am Ende ist das Resultat definitiv ein Ergebnis konstruktiver, beispielhafter Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, Architekten, Malerbetrieb, Denkmalpflege und Farbplanern.

Das städtebaulich und bauhistorisch repräsentative Wohnquartier an der Bärendelle hat durch die Neugestaltung eine deutliche Steigerung der Wertigkeit für das Viertel und vor allem für die Bewohner erfahren; ganz im Sinne des Reformstils. Es ist ein Plädoyer für den sensiblen Umgang mit Farben in Verbindung mit handwerklicher Kompetenz.

Weitere Fotos:
www.malerblatt.de

Produkt des Monats
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Malerblatt 4
Ausgabe
4.2024
ABO

Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Malerblatt-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Malerblatt-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de