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Planbilanzen als Frühwarnsystem

Betrieb & Markt
Planbilanzen als Frühwarnsystem

Folge 3: Bei Einstellungen oder Entlassungen von mehr als zwei Mitarbeitern müssen die zeitabhängigen Gemeinkosten in den meisten Betrieben an die veränderte Kapazität angeglichen werden, sonst treten organisatorische Probleme auf, und das Betriebsergebnis verändert sich extrem.

Hans-Jörg Reichert

Ist der gläserne Betrieb für die aktive Beteiligung der Mitarbeiter am Betriebsgeschehen unbedingt notwendig? Benötigen die Mitarbeiter alle Informationen über die Ergebnisse einer Baustelle, damit sie sich eingebunden fühlen und Verantwortung übernehmen? Ein Rollenspiel soll dies veranschaulichen.
Der Malermeister geht mit seiner ganzen Belegschaft auf die Kegelbahn. Er bestimmt folgende Spielregeln:
1. Alle Gesellen kegeln einzeln gegeneinander. Die Leuchtanzeige und die Kegel werden mit einem Tuch abgedeckt, so dass niemand den Erfolg oder Misserfolg beim Kegeln sieht. Nur der Meister kann hinter das Tuch sehen und gibt die Ergebnisse bekannt: „Es hätte besser sein können“, „gerade noch ausreichend“, „diesmal war das Ergebnis schlecht“.
Kommt das nicht bekannt vor? Jeder kann sich vorstellen, wie begeistert und motiviert die Spieler sind. Selbst im Spiel will jeder wissen, ob er gut oder schlecht abgeschnitten hat. Auf der Baustelle ist dies nicht anders.
2. Beim nächsten Spiel werden Mannschaften gebildet. Die Leuchtanzeige und die Kegel sind immer noch abgedeckt. Jetzt werden die Teams vom Meister mit den gleichen Ergebnissen konfrontiert. Die Begeisterung ist sicher nicht viel größer. Nur zwischen den Mitgliedern der Teams entsteht eine gewisse Schicksalsgemeinschaft. Der Meister ist außerhalb der Gemeinschaft. Er besitzt keine Mitarbeiter, sondern nur Gesellen, die ihre Zeit abarbeiten und dafür ihren Lohn beanspruchen.
Dieses negative Beispiel zeigt deutlich die Probleme bei der Mitarbeiterführung in den Firmen. Jeder will seinen persönlichen Erfolg sehen, ihn mit anderen Personen vergleichen und bewerten. Noch besser. Die meisten Menschen arbeiten gerne im Team und finden dort ihre Erfüllung. Wenn ihr Team besser ist, so sind sie stolz auf ihre Mannschaft. Das Zugehörigkeitsgefühl zum Team und zum Gesamtbetrieb wird gestärkt. Sie sind Teil des Ganzen und finden ihre Selbstverwirklichung in ihrem Beruf.
Leider herrscht in vielen Malerbetrieben die Mentalität des „hire and fire“. Kontinuität bei der Personalplanung ist äußerst selten. Die Gesellenzahl wird den Aufträgen angepasst. Aus kalkulatorischer Sicht ist dies sicher richtig. Gesundschrumpfen lautete die Devise in den letzten Jahren. Welche Auswirkungen dies aber auf das Betriebsklima, das Zugehörigkeits- und das Selbstverwirklichungsgefühl der Mitarbeiter hatte, sollte jeder Meister für seinen Betrieb selbst untersuchen. Die unproduktiven Zeiten, wie in Folge 2 (Malerblatt 7/2004, S. 41 ff) beschrieben, wurden dadurch sicher nicht wesentlich reduziert.
In den meisten Betrieben entsprechen die zeitabhängigen Kosten dem Personalhöchststand und werden bei Entlassungen häufig nicht zurückgefahren. Die Auslastung könnte ja demnächst wieder besser werden. Sie beeinflussen aber bei Entlassungen das Betriebsergebnis extrem und sind sicher einer der Gründe für viele Insolvenzen.
Bei zusätzlichen Einstellungen von Gesellen wird das Fehlen leistungs- und zeitabhängiger Kosten relativ schnell bemerkt. Es fehlt an Anlage- und Umlaufvermögen. Sand ist im Getriebe.
Besonders kritisch wird es, wenn nicht ausreichend Kapital vorhanden ist, um den Lohn und die Abgaben für die neuen Mitarbeiter zu finanzieren. Sollten wichtige Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen, so überprüft die Bank sofort den Kreditrahmen.
Ein Rechenbeispiel zeigt den Kapitalmehrbedarf für einen zusätzlichen Mitarbeiter. Dafür benötigt man die Durchschnittswerte aus den Plan-Ergebnissen des 1. Rechenbeispiels der Folge 2, siehe Rechenbeispiel Kapitalbedarf.
Das Malerunternehmen benötigt für die zusätzliche Einstellung eines neuen Mitarbeiters Eigenkapital oder einen Bankkredit von 17.765,33 Euro, bis der Geldkreislauf durch die Bezahlung der Kundenrechnungen geschlossen ist.
Bildlich gesprochen benötigt der größere Betrieb 17.765,33 Euro mehr an Blut im Blutkreislauf, um den etwas größeren Auftragsdurchlauf im Betrieb ohne Liquiditätsengpässe zu finanzieren.
Änderung der Mitarbeiteranzahl
Hier werden die Planzahlen aus der 2. Folge, nach der Verbesserung der unproduktiven Zeit, für die weiteren Berechnungen als Basis übernommen, siehe Rechenbeispiel „Planzahlen für 12 Mitarbeiter“.
Bei den Mitarbeitergesprächen in Folge 1 (Malerblatt 6/2004, S. 48 ff) wurde der Kauf von zusätzlichen Geräten und eines neuen Firmenwagens beschlossen, da ein Vorarbeiter zwei neue Gesellen in seine Gruppe aufnehmen will. Die vergrößerte Mitarbeiterzahl bringt dem Team die Chance, über einen erhöhten Gewinn eine höhere Prämienzahlung zu erhalten.
Der Meister und sein Vorarbeiter gehen in dieser Planrechnung davon aus, dass ausreichend Aufträge zu denselben Konditionen wie seither für die zusätzlichen Gesellen vorhanden sind, siehe „1. Rechenbeispiel – Veränderte Planzahlen nach der Einstellung von zwei zusätzlichen Mitarbeitern – Lösung“.
Alle leistungsabhängigen Kosten haben sich um zwei Mitarbeiter vergrößert. Das Betriebsergebnis ist deshalb so extrem angestiegen, da in den zeitabhängigen Gemeinkosten die Mehrkosten für das Firmenfahrzeug und die Geräte schon enthalten waren. Generell kann gesagt werden, dass jeder dritte Mitarbeiter stufenfixe Gemeinkosten verursacht. Bei einem oder zwei Mitarbeitern werden sich die zeitabhängigen Gemeinkosten nicht oder sehr wenig verändern. Je höher die zeitabhängigen Gemeinkosten, umso mehr verändert sich das Betriebsergebnis.
Ein anderer Vorarbeiter möchte seine Gruppe eventuell um zwei Mitarbeiter reduzieren. Auch für dieses Beispiel sollten Planzahlen berechnet werden, damit alle Beteiligten die richtige Entscheidung insgesamt treffen können. Die zeitabhängigen Gemeinkosten verändern sich in dem Beispiel nicht, siehe „2. Rechenbeispiel – Veränderte Planzahlen nach der Entlassung von zwei Mitarbeitern – Lösung“.
Die Ergebnisse der zwei Beispiele zeigen, dass die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern das Betriebsergebnis wesentlich beeinflusst. Besonders, wenn die zeitabhängigen Gemeinkosten wissentlich oder unwissentlich nicht verändert werden.
Bei der Einstellung, aber auch bei der Entlassung, von zwei Mitarbeitern verändert sich das Betriebsergebnis um 42.278,10 Euro oder um 69,68 Prozent im positiven oder negativen Sinne.
Unter Gesundschrumpfen versteht der Meister oft nur, dass er sich von leistungsschwachen Mitarbeitern trennt. Er müsste auch seine Fixkosten reduzieren und auf lieb gewonnene Bequemlichkeiten verzichten. Dies geschieht meist nicht. Welcher Meister verkauft noch nicht abgeschriebene Firmenfahrzeuge oder Geräte, wenn er von 12 Mitarbeitern zwei entlässt? Erst wenn die kalkulatorische Auswertung ein extrem gesunkenes Betriebsergebnis aufzeigt, ist die Verwunderung groß.
Faustregel
Die Faustregel lautet: Bei Einstellungen oder Entlassungen von mehr als zwei Mitarbeitern müssen die zeitabhängigen Gemeinkosten in den meisten Betrieben an die veränderte Kapazität angeglichen werden, sonst treten organisatorische Probleme auf, und das Betriebsergebnis verändert sich extrem.
In der nächsten Folge werden die Auswirkungen folgender Fragen auf das Betriebsergebnis behandelt: Wie verändert sich die Nachfrage nach Malerarbeiten? Welche Preise kann der Meister am Markt erzielen? Wie hoch werden die Lohnsteigerungen ausfallen? Rechenbeispiele zeigen den Mitarbeitern und dem Chef die zukünftige Entwicklung des Betriebes durch intern nur schwer beeinflussbare Kosten und durch die veränderte Marktsituation im Folgejahr.
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