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Bauschäden bei Gipsplatten

Bauschäden bei Gipsplatten
Dünne Schichten als Problem

In den neunziger Jahren kam es vermehrt zu Schäden in Form von Blasenbildung auf frisch tapezierten Gipsplatten. Seit einigen Jahren werden ähnliche Schäden bei der Überarbeitung von Gipsplatten z.B. mit Dekorputzen beobachtet. Welche Lösungsansätze gibt es für diese Problematik?

Rudolf Kolb, Caparol

In den neunziger Jahren wurden vermehrt Schäden beobachtet, die sich in Form von „Blasenbildung“ auf frisch tapezierten Gipsplatten abzeichneten. Bei genauer Betrachtung konnten Ablösungen der Gipsspachtelschicht vom Untergrund festgestellt werden. Und zwar vorwiegend bei dünneren Spachtelschichten unterhalb von 0,5 Millimeter. Bei der Suche nach Ursachen wurde an der Technischen Universität (TU) Clausthal ein Verfahren entwickelt, mit dem sich der Schaden reproduzierbar nachstellen ließ. Nun wurden unterschiedliche Kleister unter verschiedenen klimatischen Bedingungen mit der Spachtelschicht in Kontakt gebracht, um mögliche Reaktionen zu beobachten und Schadensfaktoren einzugrenzen. Dabei stellte sich heraus, dass CMC-haltige Kleister in Verbindung mit stark verzögerter Trocknung zu einer Schädigung der Spachtelschicht führen und somit die typischen Aufwölbungen und Blasen verursachen.
CMC steht für Carboxymethylcellulose und ist eines der Cellulosederivate, die zur Herstellung von Tapetenkleister verwendet werden. Darüber hinaus existieren auch weitere Cellulosederivate wie etwa Methylcellulose (MC). Kleister, die aus Methylcellulose hergestellt waren, zeigten bei den Versuchen keine Schäden. Daraus folgte der Schluss, dass CMC-haltige Tapeten-kleister auf einigen Gipsspachtelmassen im Schichtdickenbereich < 0,5 Millimeter bei stark verzögerter Trocknung den Schaden auslösen. Auf die damaligen Erkenntnisse wurde rasch reagiert. Es folgten Hinweise in den Merkblättern der Verbände und der Industrie. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der Untersuchung in der Fachpresse veröffentlicht („Der richtige Kleister“, Malerblatt 3/99 und „Bald ein Thema von gestern?“, Der Maler und Lackierermeister 9/99). Die Maßnahmen haben erfreulicherweise gewirkt und die Anzahl der Schäden ist nahezu vollständig zurückgegangen.
Doch das beschriebene Phänomen ist damit nicht aus der Welt. Bereits seit Jahren werden regelmäßig ähnliche Schäden im Zusammenhang mit dickschichtigen Beschichtungssystemen wie beispielsweise Dekorputzen beobachtet. Gelegentlich trifft es Farbanstriche oder auch dekorative Beschichtungen. Die verblüffende Ähnlichkeit zu der damaligen „Kleisterproblematik“ zeigt sich in der Schadensdarstellung und in äußeren Bedingungen. Immer wieder sind das dünne Gipsspachtelschichten von ca. 200 bis 500 µm Dicke, die sich nach der Überarbeitung partiell vom Untergrund lösen. Auch die verzögerte Trocknung der nachfolgenden Beschichtung liegt in den Fällen vor. Je nach Intensität des Schadens werden ein bis zwei Tage nach Applikation der Schlussbeschichtung Blasen, Risse oder Ablösungen beobachtet. Beim Entfernen der schadhaften Bereiche lösen sich häufig größere Beschichtungsteile vom Untergrund. Es liegt immer ein Adhäsionsbruch zwischen Untergrund und Gipsspachtel oder Kohäsionsbruch innerhalb der Spachtelschicht vor. Auf der Rückseite abgelöster Beschichtungsteile ist häufig eine runzelige Struktur zu erkennen, deren Oberfläche stark kreidet. Diese Kreidung lässt sich auch auf dem freigelegten Untergrund feststellen. Der Haftverbund zwischen der abgelösten Spachtelmasse und dem darauf aufgebrachten Beschichtungsstoff inklusive Grundierung ist meistens intakt.
Viele Rohstoffe, ein Problem
Hersteller von Gipsspachtelmassen machen auch bei diesen Fällen CMC aus verwendeten Beschichtungsstoffen in Verbindung mit ungünstigen Trocknungsbedingungen für die Schäden verantwortlich. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen mit Kleistern an der TU Clausthal werden einfach auf Dekorputze und andere Beschichtungsstoffe übertragen. In vielen Fällen treffen diese Aussagen jedoch nicht zu, da sich die Schäden auch in Verbindung mit CMC-freien Beschichtungsstoffen ereignen. Das geschieht auch unabhängig vom Produkthersteller. Durch Laboruntersuchungen in der Caparol-Forschungsabteilung wurde nun bestätigt, dass die Blasenbildung der Spachtelschicht auch durch zahlreiche andere Rohstoffe aus Beschichtungsstoffen ausgelöst werden kann. Bei den durchgeführten Versuchen wurden dünne Gipsspachtelschichten mit einzelnen Rohstoffen benetzt und feucht gehalten. Die durch Volumenzunahme bedingte „Runzelbildung“ in der Spachtelschicht deutet auf ein hohes Gefahrenpotenzial hin und konnte neben CMC auch bei mehreren anderen Rohstoffen festgestellt werden. Demnach muss wesentlich mehr hinter dieser Problematik stecken, als bislang von Fachleuten angenommen wurde.
Doch was spielt sich genau innerhalb dieser kritischen Spachtelschichten während der Schadensentstehung (Blasen- und Runzelbildung) ab? Zur Aushärtung benötigt das Halbhydrat (Gipsspachtel) Wasser, das ihm beim Anmachen zugeführt wird. Ab diesem Moment beginnt die Kristallisation, bei der das Wasser chemisch eingebunden wird. Daraus entsteht das feste, wasserunlösliche Dihydrat. Um die vollständige Kristallisation bzw. Aushärtung der Gipsmasse zu erlangen, muss das Wasser dem Halbhydrat über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen. Genau das kann jedoch bei dünnen Spachtelschichten nicht gewährleistet werden, da das Wasser aus der Spachtelschicht zu schnell in den Untergrund abwandert und/oder verdunstet. Die Kristallisation wird somit vorzeitig unterbrochen. Ein Großteil des Halb-hydrats bleibt als wasserlöslicher Bestandteil in der Spachtelschicht zurück. Die angestrebte Festigkeit des Gipses wird in diesen Bereichen nicht erreicht. Dickere Spachtelschichten > 0,5 Millimeter haben hingegen ein höheres Wasserdepot, das dem Halbhydrat länger für die Dihydratbildung zur Verfügung steht. Dadurch bindet der Gips in diesen Schichten ausreichend ab und erzeugt ein stabileres Gefüge.
Optisch intakt, jedoch brüchig
Bei der Überarbeitung kritischer Spachtelschichten mit einem wässrigen Beschichtungsstoff wird das noch vorhandene wasserlösliche Halbhydrat des Gipsspachtels gelöst und aktiviert. Bei verzögerter Trocknung können weitere Bestandteile des Beschichtungsstoffes in das Spachtelgefüge eindringen. Dadurch kann es, wie im Fall von CMC, zu einer Störung der Kristallisation und übermäßiger Volumenzunahme kommen. Die dabei auftretenden Kräfte sind in der Lage den gesamten Schichtaufbau vom Untergrund zu drücken. Daraus resultieren die beobachteten Schadensbilder. Genau dieses Phänomen konnte am iba-Institut in Koblenz erfolgreich nachgestellt werden. In Zusammenarbeit mit Caparol wurden unterschiedliche klimatische Szenarien definiert, denen gespachtelte und verputzte Gipsplatten während der Trocknungsphase ausgesetzt wurden. Das iba-Institut verfügt über eine Klimakammer, in der unterschiedliche Feuchte- und Temperaturbedingungen simuliert werden können. Hier hat sich bestätigt, dass die verzögerte Trocknung der Schlussbeschichtung zum Schaden führt. Doch selbst wenn die Oberfläche nach der Überarbeitung optisch intakt bleibt, sind partielle Haftverbund- störungen im Untergrund nicht ausgeschlossen. Das beweisen auch Untersuchungen an der Materialforschungs- und -Prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA), die von Caparol in Auftrag gegeben wurden. Dort sind Gipsplatten mit einer handelsüblichen kunststoffmodifizierten Spachtelmasse in Schichtdicken von 0 – 1000 µm verspachtelt worden. Die Platten wurden sieben Tage bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen gelagert und anschließend mit einem quarzhaltigen Putzgrund nach Herstellerangaben grundiert. Im Anschluss wurde ein Kunstharzputz als Schlussbeschichtung verwendet. Die Trocknung des Putzes fand ebenfalls unter verschiedenen klimatischen Bedingungen statt. Bei der anschließenden Auswertung der Probekörper wurden zunächst keine optischen Mängel festgestellt. Durch den sogenannten Profilschliff, bei dem der Querschnitt der Prüfkörper unter einem Lichtmikroskop betrachtet wird, konnten bei fast allen Proben Kohäsionsbrüche innerhalb der Spachtelschicht (im Bereich von 200 – 500 µm) beobachtet werden.
Dickere Schichten unkritisch
Dickere Schichten sind demnach unkritisch, die Gründe dafür sind beschrieben worden. Es stellt sich nun die Frage, warum die ganz dünnen Spachtelschichten < 200 µm oftmals schadensfrei bleiben? Die Vermutung liegt nahe, dass diese Schichtbereiche durch die Grundierung stabilisiert und weitestgehend gefestigt werden. Bei sachgemäßer Anwendung wasserbasierender Grundiermittel sind diese erfahrungsgemäß in der Lage, bis in eine Tiefe von ca. 0,2 Millimeter der Spachteloberfläche zu penetrieren. Tiefere Penetration ist allein aufgrund der begrenzten Auftragsmenge der Grundiermittel kaum möglich. Der Verbrauch eines wässrigen transparenten Tiefgrundes auf Q2 – Q3 gespachtelten Gipsplatten liegt bei ca. 80 ml/m². Diese Menge entspricht einem durchschnittlichen Nassfilm von 80 µm. Selbst wenn dieses Material vollständig in den Untergrund abwandern würde, könnten Schichten unterhalb von 200 µm kaum erreicht werden. Um eine tiefere Penetration zu erreichen, wäre es notwendig, die Oberflächen nass in nass über einen längeren Zeitraum andauernd mit dem Grundiermittel zu benetzen. Diese Methode stellt jedoch keine umsetzbare Baustellenpraxis dar und würde einen zu hohen Wassereintrag in die Gipsplatte bewirken, was wiederum zu anderen Problemen führen würde. Beim Einsatz pigmentierter Grundierungen ist mit ähnlichen Eindringtiefen zu rechnen.
Um das Schadensrisiko zu minimieren, gibt es zunächst zwei Möglichkeiten. Die konsequente Vermeidung verzögerter Trocknung der Beschichtung stellt eine davon dar. Nach der Applikation sollte die Beschichtung möglichst schnell durchtrocknen. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn dafür günstige klimatische Raumbedingungen vorliegen. Darauf wird auch im Merkblatt Nr. 2 (Verspachtelung von Gipsplatten Oberflächengüten) des Bundesverbands der Gipsindustrie e.V. hingewiesen. Auch in Technischen Merkblättern vieler Beschichtungsstoffhersteller wird auf die Möglichkeit des Schadens hingewiesen und eine zügige Trocknung empfohlen. Was zunächst einfach klingt, ist in der Realität nicht immer umsetzbar. Durch die eingebrachte Beschichtung werden hohe Wassermengen in den Raum transportiert. Bei einem Dekorputz können das in einem 20 Quadratmeter großen Raum bis zu 60 Liter und mehr sein. Dieses Wasser wird beim Trocknen an die Raumluft abgegeben. Bei ungenügender Lüftung ist die Luftsättigung schnell erreicht. Durch gezieltes Lüften kann frische Luft nachströmen, die Trocknung wird somit vorangetrieben. Es gibt jedoch Situationen, bei denen das Lüften nur wenig bewirkt. Das kann an schwülen, windstillen Sommertagen genauso sein wie bei kühlen Jahreszeiten, wenn unbeheizte Räume betroffen sind. Unter diesen Bedingungen sollten beim Vorliegen dünner Gipsspachtelschichten keine dickschichtigen Beschichtungssysteme verarbeitet werden. Bei Bedarf können Maßnahmen getroffen werden, um die Trocknung anderweitig voranzutreiben. Es existieren keine festgelegten Werte zu Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit, die während der Trocknungsphase einzuhalten sind. Somit wird das Raumklima zu einem schwer kalkulierbaren Risiko.
Die zweite Möglichkeit, den Schaden zu vermeiden, stellt der Verzicht auf Gipsspachtelmassen dar. Dispersionsgebundene Spachtelmassen, die in einigen Fällen alternativ eingesetzt werden können, sind in diesem Zusammenhang nicht gefährdet.
Um dem Handwerk mehr Sicherheit zu bieten, wurde von Caparol eine Putzrezeptur entwickelt, die das beschriebene Schadensbild nicht auslöst. Die Rohstoffauswahl für das kommende Produkt wurde anhand von zahlreichen Versuchen auf dünnen Gipsschichten vorgenommen. Zur Anwendung kamen ausschließlich jene Rohstoffe, die bei längerem Kontakt mit Gips keine Reaktion gezeigt haben. Auf Basis dieser Arbeit entstand ein kunststoffbasierender Dekorputz, der sich in der Verarbeitung und Optik nicht von herkömmlichen Putzen unterscheidet.
Eine neue Putzgeneration und eine eigens hierfür entwickelte Spezialgrundierung sind die ersten Schritte der Industrie, um das Schadensrisiko zu minimieren. Um dem Handwerk mehr Sicherheit zu bieten, sind weitere Aktivitäten seitens der Verbände und Industrie erforderlich. Eine abgestimmte Zusammenarbeit aller Beteiligten ist erstrebenswert.
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