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Großartig verkleinert

Trockenbau
Großartig verkleinert

In weiten Teilen des Landes schrumpfen die Kirchengemeinden, die Besucherzahlen bei Gottesdiensten sinken und Kosten müssen gespart werden – gleichzeitig sind die Gebäude häufig sanierungsbedürftig und müssen den Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Umso erfreulicher, wenn es gelingt, eine Kirche nicht aufzugeben, sondern sie ebenso behutsam wie intelligent zu erweitern, zu modernisieren und gleichzeitig ihre Identität zu erhalten. Ein Paradebeispiel ist die Melanchthonkirche im Hannoveraner Stadtteil Bult.

Dipl.-Ing. Andrea Grond, Knauf Aquapanel

Ursprünglich von dem Architekten Karl-Heinz Lorey von 1959 bis 1961 entworfen, war die Melanchthonkirche schon immer ein natürlicher Mittelpunkt ihrer Gemeinde. Etwas erhöht vom Straßenraum an der Menschingstraße steht das Gebäude mit der Grundform eines griechischen Kreuzes selbstbewusst auf einem baumbestandenen Grundstück. Doch in seinem Innern hatte die Nutzung über 50 Jahre Spuren hinterlassen, die Sanitäranlagen mussten dringend saniert und eine Dämmung durchgeführt werden. Außerdem war die Kirchengemeinde angehalten, Geld zu sparen. Die Idee: Um einen Teil des Gebäudebestands der Gemeinde veräußern zu können, sollte das bislang in einem separaten Gebäude untergebrachte Gemeindezentrum mit Pfarrbüro in die Kirche integriert werden. Den ausgelobten Wettbewerb entschied das Bochumer Büro dreibundarchitekten ballerstedt | helms | koblank für sich.
„Priorität hatte für uns, dass wir den bestehenden Baukörper nicht antasten“, erklärt Projektleiter Jan Hintemann. „Die Gemeindemitglieder sollten nach dem Umbau weiterhin ihre, zumindest äußerlich, gewohnte Kirche vorfinden.“ Auch sollten durch einen Verzicht auf Neubauten außerhalb der Kubatur Flächen und Ressourcen gespart werden. So beschränkten sich die Planer auf eine Neuorganisation des Innenraums. Das neue Kirchenschiff orientiert sich nun vom West- zum Ostteil des Gebäudes, die Seitenschiffe im Norden und Süden wurden abgeteilt. Statt vormals rund 400 finden nun maximal rund 230 Besucher Platz. Im Nordteil befinden sich die Küche sowie der darüber liegende Gruppenraum. Im Südteil liegen nun das Gemeindebüro und darüber das Amtszimmer des Pastors. „Um hierfür mehr Platz zu schaffen, haben wir die drei bestehenden Emporen entfernt und deutlich höher neu eingezogen“, so Hintemann.
Respekt vor dem Bestand
Ein weiterer Gruppenraum liegt im Untergeschoss der Kirche, der nun großzügig natürlich belichtet werden kann. Dafür wurde an einer Gebäudeseite das Gelände zugunsten von Fenstern abgetragen, so dass Jugendkreise oder andere Angebote der Gemeinde hier nun attraktivere Bedingungen vorfinden.
„Von außen war das Gebäude durch seine gelbliche Klinkerfassade und sein grünes Kupferdach geprägt“, erzählt Architekt Hintemann weiter. „Diese Erscheinung sollte nicht beeinträchtigt werden. Schon aus diesem Grund schied für uns eine Außendämmung des Gebäudes aus.“ Auch im Innern war den Planern aber der sensible Umgang mit der Substanz aus dem Jahr 1961 wichtig. Etwa die Deckenverschalung: „Die ist aus sibirischer Lärche und sehr präzise gefertigt. Darüber befand sich allerdings nur noch eine Kokosmatte und dann kam schon das Kupfer des Daches“, so Hintemann. So wurde die Sichtverschalung behutsam entfernt, das Dach nach Stand der Technik gedämmt und dann die Schalung in leicht veränderter Form wieder eingebaut. Auch bei der Schaffung neuer Lichtverhältnisse galt Respekt vor dem Vorhandenen. Die alten Buntglasfenster wurden durch moderne, transparente Fenster ersetzt. Ausgewählte Buntglasfenster erhielten ihren neuen Platz in den beiden Windfängen sowie eingefasst in eine filigrane Stahl-Rahmenkonstruktion, hinter dem erweiterten Westfenster. Zusätzlich wurde auch eine neue Dachöffnung eingebracht, die den Altar ins Licht rückt. Der bestehende Bodenbelag aus Dielen und Schiefer musste jedoch einem neuen Boden aus Anröchter Dolomit weichen, der schon im Altarbereich gelegt worden war. „In diesem Umfeld aus hochwertigem und mit Bedacht ausgewähltem Material war eine Dämmung mit einem profanen WDVS nicht vorstellbar“, erzählt Jan Hintemann. So entschied man sich für die Verwendung einer Innendämmung, von der der beauftragte Stuckateurbetrieb Martin Schwarze rund 900 Quadratmeter montierte.
Durchgängig diffusionsoffen
Die eingesetzten Dämmplatten weisen mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,045 W/mK zum einen sehr gute thermische Kennwerte auf und reduzieren somit Wärmeverluste deutlich. Zum anderen haben die aus vulkanischem Glas (sogenanntem Perlit) hergestellten Platten die Eigenschaft, auftretendes Kondenswasser aufzunehmen und zeitverzögert wieder abzugeben, mögliche Feuchtespitzen im Raumklima werden dadurch zuverlässig abgepuffert. Das gesamte System ist durchgängig diffusionsoffen und kapillaraktiv. So wird das Risiko von Bauschäden bei dem sensiblen Thema Innendämmung erheblich reduziert. Außerdem ist das Dämmsystem mit seinem alkalischen pH-Wert 10 weitestgehend gegen Schimmelpilz unempfindlich.
In der Melanchthonkirche hatte eine Wärmedurchgangsuntersuchung eine ideale Stärke von 100 Millimetern für die Dämmplatten ergeben. So konnte das Team von Stuckateur Martin Schwarze mit der Vorbereitung des Untergrunds starten. „Am Anfang stand eine kleine Herausforderung“, so Schwarze, „denn die Innenräume waren großflächig mit Klinkern verkleidet, die seinerzeit aus ästhetischen Gründen teilweise verkehrt herum, also mit der Lochseite in den Raum hinein, angebracht worden waren.“ So hieß es für die Stuckateure als Erstes: Löcher zuspachteln. Um einen normgerechten, ebenen Untergrund zu erreichen, wurde ein ein Zentimeter starker Kalkzementputz aufgebracht. Nach dem vollständigen Durchtrocknen konnte dann die Montage des Dämmsystems erfolgen: Dazu wurden die Dämmplatten auf Stoß gesetzt und rückseitig vollflächig mit dem zum System gehörenden diffusionsoffenen Flächenspachtel verklebt. Die Montage erfolgt immer reihenweise von unten nach oben, wobei bei der jeweils folgenden Zeile ein Fugenversatz von mindestens 20 Zentimetern zu berücksichtigen ist. „Aufgrund des teilweise bis zu 12 Meter hohen Raumes mussten die Platten außerdem mittig gedübelt werden“, erklärt Martin Schwarze, eine Maßnahme, die ab einem Grenzmaß von 3,80 Metern erforderlich ist. Die Handhabung des Materials ist unkompliziert, Stücke können einfach mit dem Fuchsschwanz gesägt werden. Auch kleinteiligere Arbeiten, wie etwa die Einfassung der erhaltenen Buntglaskreuze im Altarbereich der Kirche, waren mit den Platten auf Perlitbasis problemlos möglich.
Einfache Verarbeitung
Bei der Verarbeitung entstandene Ausbrüche und Plattenstöße, die größer waren als zwei Millimeter, wurden mit einem speziellen Füllmörtel beseitigt. Anschließend wurde die gesamte Fläche mit einer Grundierung vorbehandelt sowie – nach vollständiger Trocknung – ein Flächenspachtel mit Gewebearmierung aufgetragen. Das Gewebe wird dabei im oberen Drittel der Armierungsschicht in Bahnen mit 10 Zentimetern Überlappung eingelegt. „Dann haben wir die Oberfläche mit eingefärbtem Rotkalk fein verputzt“, berichtet Schwarze. So ergibt sich eine Wand, bei der konsequent auf mineralische, diffusionsoffene Werkstoffe gesetzt wurde. Das Resultat: eine effiziente, natürliche und gleichzeitig feuchtigkeitsregulierende Innendämmung mit entsprechend positiven Auswirkungen auf das Raumklima. Damit konnte auch auf den Einbau einer Dampfsperre verzichtet werden, was effektiv Zeit im Bauablauf sparte. Ein zusätzliches Element kam außerdem im Altarbereich zum Einsatz. Martin Schwarze: „Hier haben wir auch eine Wandflächenheizung integriert.“ Die leichten Heizregister aus Kunststoff können dafür direkt auf der Innendämmung montiert werden. Aufgrund der geringen Abmessungen kann das Flächenheizsystem dicht unter dem Putz verlegt werden, eine einfache vollflächige Gewebe-Armierung gilt als ausreichend. Um die Kapillaraktivität der Wand zu gewährleisten, sollte dabei immer auf den geeigneten Putz geachtet werden. Da beim Projekt Melanchthonkirche sowieso durchgängig mineralische Komponenten verwendet wurden, stellte sich diese Frage aber gar nicht. Für den Stuckateur Schwarze zeigten sich gerade hier die Vorteile der gewählten Innendämmung: „Das Perlit-Material überzeugt natürlich durch seine bauphysikalischen Eigenschaften. Nicht nur in puncto Wärmedämmung, sondern vor allem, wenn es um Wasseraufnahme und -abgabe geht.“
Ganz anders und doch gleich
Das Ergebnis der Umbauarbeiten wurde im Juni 2013 der staunenden Gemeinde präsentiert. Äußerlich unverändert, erstrahlt die Melanchthonkirche im Inneren in neuem Glanz. Viel wärmer und einladender zeigt sich der Kirchenraum, mit Tageslicht illuminiert und hell verputzt. Die neuen Emporen bieten zusätzlichen Raum für Besucher und die Gruppenräume sowie das Pfarrbüro sind schnell und einfach erreicht. Für eine neue Bestuhlung hatten die Mittel der Gemeinde noch nicht gereicht, aber auch hier zeigten die Hannoveraner Kreativität. „100 Stühle für 1.000 Tage“ hieß die Aktion, mit der sich die Melanchthongemeinde bei ihren Mitgliedern Sitzgelegenheiten auslieh. Deren bunte Vielfalt passte hervorragend in das nun modernisierte, ganz lebendige Gotteshaus, das wieder zum natürlichen Zentrum von Hannover Bult geworden ist.

praxisplus
Bautafel
Objektbeschreibung: Umbau einer evangelischen Kirche in Hannover Bult
Bauzeit: 15 Monate
Bauherr: Melanchthongemeinde Hannover Bult
Architekten: dreibundarchitekten
ballerstedt | helms | koblank
Ausführung: Martin Schwarze
Stuckateurmeister, Sehnde
Technische Beratung: Sven Schanze, Verkauf Systemanwendungen Knauf Aquapanel GmbH
Innendämmung: 900 Quadratmeter TecTem Insulation Board Indoor
Wandflächenheizung: Aquatherm Black System
bult.de/melanchthon dreibund-architekten.deschwarze-stuck.deknauf-aquapanel.com aquatherm-pipesystems.com
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