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Naturbaustoffe für Neubauten und Sanierungen

Naturbaustoffe für Neubauten und Sanierungen
Strohkuppeln im Stadel

Naturbaustoffe für Neubauten und Sanierungen: In einem italienischen Berghof entstanden vier kleine Ferienwohnungen aus organisch geformten Strohballen mit gerundeten Wänden. Sie wurden außen mit Kalk verputzt, sodass sie wie kalkweiße Findlinge in einem bestehenden Stadel liegen. Innen reguliert Lehm das Raumklima.

Autor: Achim Pilz | Fotos: Dietrichhof

Die Ökobau-Pionierin Dr. Arch. Margareta Schwarz, freischaffende Architektin in Südtirol, verwendet leidenschaftlich Naturbaustoffe für Neubauten und Sanierungen. „Mit Naturbaustoffen kann man alle Details realisieren“, betont sie. Die von ihr schon seit Jahrzehnten bevorzugten Materialien Holz, Kalk und Lehm sind kreislaufgerecht und frei von Schadstoffen. Seit 2002 setzt Schwarz bei fast jedem Projekt zudem wohngesundes Stroh ein. Es kommt ohne Kunststoffe aus, wie sie selbst in den meisten Holzfaserdämmstoffen anteilig enthalten sind (außer in nass produzierten). Auch Brandschutzmittel, die mitunter giftig sind, sind bei Stroh nicht notwendig. Seit 2009 entwickelt Schwarz die Vorfertigung mit strohgefüllten Holzrahmen und die lasttragende Bauweise mit Kleinballen weiter.

Naturbaustoffe für Neubauten und Sanierungen

Damit war sie die richtige Architektin für Szilvia Rauter, die mit ihrem Mann den Dietrichhof in Feldthurns im Eisacktaler Mittelgebirge auf fast 1.200 Metern Höhe führt. Zum Hof gehört unter anderem ein 21 Meter langer Stadel aus den 1960er-Jahren. In das Obergeschoss des Stadels plante ihr die Strohbauexpertin Schwarz vier kleine Ferienwohnungen, Pavillons zu je zirka 30 Quadratmetern Nettofläche. Jeder Pavillon wird von einem Gewölbe aus Strohballen überspannt. Mit Kalk und Lehm umhüllen die Ballen diffusionsfähig einen wohngesunden Innenraum. Die runden Einheiten sind außen nur mit einem natürlichen hydraulischen Kalk verputzt, das bestehende Dach des Stadels schützt die horizontalen Kalkflächen vor der Witterung.

Schale aus Stroh und Holz

Konstruiert sind die organisch geformten Schalen aus tragenden Holzbögen und einem stabilisierenden Ringbalken. Die Handwerker klemmten zwischen die Bögen zertifizierte Strohballen der Firma Sonnenklee, die sehr maßhaltig sind. Zur Windaussteifung hefteten sie Metallbänder unter die Bögen. Um Strukturrisse zu vermeiden, tackerten sie Streifen aus Holzfasermatten als Putzträger auf die Hölzer. Die Fensterbauer setzten Dreiglasscheiben ohne Rahmen in Schlitze der Holzkonstruktion. Die Wandsegmente zwischen den Pavillons in Richtung Balkone wurden mit Holzfaser ausgedämmt und mit Schilfrohrputzträgern belegt. Wände und Gewölbe komplettierten mindestens drei Zentimeter starke Kalk- bzw. Lehmputze auf beiden Seiten. Durch akustische Messungen wurde die Schalldämpfung zwischen den Pavillons nachgewiesen. Die 42 Zentimeter starke Wand aus Stroh und den schweren Putzen erreicht ein Schalldämm-Maß R’w = 56 dB (inklusive der Schallübertragung über die flankierenden Bauteile) und ist damit besser als die mindestens geforderten 55 dB. „Die Werte sind großartig“, ist Schwarz begeistert.

Verputzen von gewölbten Flächen

Die unterschiedlich gewölbten Flächen verputzte Patrick Plattner mit seiner Firma Plattner Patrick Bau aus Feldthurns. Er ist zertifizierter Baubiologe und auf ökologisches Bauen spezialisiert. Auf einem Mustergewölbe testete er die Verarbeitung und den Schichtaufbau. Zuerst spritzte er Putz direkt auf die unruhige Oberfläche der Strohballen, was aber eine zu dicke Schicht ergab. Deshalb kürzte ein Mitarbeiter aus der Strohoberflächen heraushängende Halme mit der Heckenschere. Dann entschied man sich, die Oberfläche mit Kalk vorzuspritzen und den Untergrund innen wie außen zu stabilisieren. Das Putzen der konkaven Flächen im Inneren der Räume und der konvexen Flächen außen war handwerklich anspruchsvoll. „Die Rundungen waren schon eine Herausforderung“, erinnert sich Patrick Plattner und erklärt: „Das macht man am besten in ein paar Lagen.“ Seine Mitarbeiter zogen alle anderen Kanten frei Hand und benutzten nur vor den rahmenlosen Fenstern Putzschienen.

Stabilisieren mit Kalk

Als Vorspritz sprühte Plattner mit seinen Mitarbeitern Rudus Spritzputz der Firma „Calchèra San Giorgio“ ziemlich flüssig in etwa fünf Millimetern Stärke innen wie auch außen auf. Das Bindemittel des Mörtels ist ein natürlicher hydraulischer Kalk (EN 459-1), der bei einer Temperatur unter 1.000 Grad Celsius gebrannt wurde und frei von Zement, Klinkerderivaten sowie Schadstoffen ist. Der Kalkputz umhüllt die aus der Wölbung noch deutlich herausstehenden Strohhalme und bildet für die nächste Lage eine schön strukturierte Oberfläche. Da das Stroh kaum saugt, ließen sie dem Putz mindestens fünf Tage Zeit für die Härtung. „Es ist wichtig, dass die Schicht trocken ist, sonst wird da nichts draus“, betont Plattner. Das Dach des Stadels schützte den Außenputz während der Härtung vor Sonne und Wind. Unterdessen befestigten die Handwerker eine zwei Millimeter starke Drahtmatte mit einer Maschenweite von acht mal acht Millimetern an den Balken im Gewölbe oberhalb des Ringbalkens, um die Kuppel zu stabilisieren. Für die nächste Putzlage verwendeten sie Rudus Putzmörtel MAK12 von der gleichen Firma, der ebenfalls nur natürlichen hydraulischen Kalk als Bindemittel enthält. Sie spritzten den Kalk auf die unebene Oberfläche ca. zwei Zentimeter stark auf, zogen ihn glatt und ließen ihn ein bis zwei Wochen härten. „Dann hatten wir eine feste Schicht und eine gute Unterlage für den Lehm“, erklärt Plattner. In der Zwischenzeit fräste der Elektriker die Installationen ein und verlegte die Leitungen. Plattners Mitarbeiter verschlossen sie wieder mit Kalkputz. Im Inneren putzten sie auf den gehärteten Kalk weiter mit Lehm: Auf einen Unterputz mit Stroh als Zuschlag folgten ein Glasfasergewebe und zwei Lagen eines Feinputzes.

Kalk als Winddichtung

Außen ging es mit dem gleichen Kalkputz weiter. In die zweite Lage Grundputz betteten die Mitarbeiter von Plattner Glasseidengewebe ein und arbeiteten es mit der Kelle in die konvexe Oberfläche ein. Da der Mörtel aufliegt, war hier die Verarbeitung etwas einfacher als innen auf der konkaven Oberfläche. Insgesamt waren die frei Hand ausgeführten Ecken eine Herausforderung und eine Freude. „Es ist toll, wenn man etwas machen kann, das nicht Standard ist“, freut sich Plattner. Für die vierte Schicht verwendeten sie nochmals den gleichen Putz als Oberputz und glätteten ihn mit der runden Maurerkelle ab. Stellenweise putzten sie seitlich noch eine fünfte Lage, um die gewünschte Dicke zu erreichen. „Bis die Unregelmäßigkeiten ausgeglichen sind, werden es schon drei bis vier Zentimeter“, erklärt Plattner.

Auf dem Balkon belegten sie die mit Holz verschalten Sichtschutzwände zwischen den Pavillons mit einer 70-stängeligen Schilfmatte, auf die sie direkt mit Kalk putzten. Auch hier verarbeiteten sie zwei Lagen Grund- und zwei Lagen Feinputz mit eingespachteltem Armierungsgewebe. „Dann hat man keine Probleme“, weiß Plattner.

In den Bädern verarbeiteten sie einen Universal-Kalkspachtel von Calchera, der ebenfalls nur natürlichen hydraulischen Kalk als Bindemittel sowie feine Zellulosefasern enthält. Nach dem Spachteln glätteten sie ihn mit der Kelle. Der ausgehärtete Kalkspachtel wurde vom Maler gestrichen.

Ausbau mit alten und neuen Hölzern

Die verputzten, mit alten und neuen Hölzern ausgebauten Pavillons auf dem Dietrichhof sind sehr atmosphärisch. Wie massive Findlinge liegen sie vor der Natursteinwand in dem alten Stadel und laden die Gäste ein, in eine komfortable, archaische Welt einzutreten. Das kommt gut an – „wahnsinnig gut“, freut sich Szilvia Rauter. „Auch wenn ich selbst in den Kokon reingehe, fühle ich mich behütet wie in einer Höhle.“„Es ist ein tolles Ergebnis“, lobt Schwarz. „Und das Raumklima ist großartig, weil es Lehm und Kalkputz regulieren.“ Die Oberflächen sind unbehandelt. Alles entspricht den Kriterien des italienischen Siegels „Klimahaus Nature“, das ein Gebäude auch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Bewohner zertifiziert. Das Projekt wurde außerdem für den „Klimahaus Awards 2020“ nominiert.


PraxisPlus

  • Objekt: Dietrichhof, Stilumserstraße 4, I-39040 Feldthurns BZ
  • Bauherren: Szilvia und Reinhard Rauter, Feldthurns
  • Außenwand (von außen nach innen): Kalkputz Rudus MAK12 (Calchèra San Giorgio) 3 cm zweilagig mit Armierung, Kalk-Vorspritz Rudus (Calchèra San Giorgio), gepresste Strohballen 36 cm, zwischen Holzständer (belegt mit Holzfaserstreifen als Putzträger), Kalk-Vorspritz Rudus, Lehm 3 cm zweilagig mit Armierung
  • Dachgewölbe: wie Außenwand
  • Verarbeiter Putze: Plattner Patrick Bau, Feldthurns

www.dietrichhof.com

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