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Einstellungssache

Betrieb & Markt
Einstellungssache

Werner Schledt

Fast alle Lehrstellenbewerber, die sich zu einem Einstellungstest bei uns einfinden, kommen allein. (Ganz wenige bringen ihre Freundin mit, die beim Test sicher ein bisschen hilft, was wir aber nicht unterbinden, im Gegenteil: Für das Signal: „Ich habe eine Partnerin, die sich mit mir für die berufliche Zukunft interessiert und die hinter meiner Berufswahl steht“, gibt’s bei uns einen Pluspunkt vorab.) Aber bei den meisten ist mein Eindruck: Die sind nicht nur allein gekommen, die sind auch allein gelassen. Vor allem von ihren Eltern, die sich offensichtlich überhaupt nicht dafür interessieren, was das für ein Laden ist, bei dem sich ihr Kind bewirbt. Früher wurden die Kinder nach der Volljährigkeit „hergegeben“, zum Beispiel wenn sie heirateten. Heute werden sie abgegeben – möglichst früh in die Ganztagsbetreuung und Kita, von dort weitergegeben in Schule und Hort, später zur Ausbildung. Weil aber keine dieser Einrichtungen das Elternhaus ersetzen kann, werden viele aufgegeben. Nach erfolgloser Stellensuche und Hartz IV geben sie sich schließlich selber auf. Vielleicht sollten die Eltern Heranwachsenden besser zur Hand gehen, anstatt bloß die Kosten fürs Handy zu übernehmen; ihren Kindern zu Seite stehen, statt zur Seite zu sehen. Male ich zu schwarz? Einstellungssache.
„Das Bessere ist der Feind des Guten!“ Ich sage das bisweilen auch dann, wenn ich von einer neuen Idee überzeugt bin oder herkömmliche Abläufe zu rationalisieren sind. Vor allem aber benutze ich den Satz als Überschrift, wenn über Änderungen informiert wird oder Verbesserungen angekündigt werden, um von deren Nutzen zu überzeugen, weil ich weiß, dass alles Neue zunächst einmal als noch schlechter empfunden wird, egal wie objektiv schlecht das Alte auch gewesen sein mag. Kontinuierliche Verbesserung und permanente Rationalisierung sind zweifellos unabdingbar. Aber muss man dabei immer das Optimum erreichen? Die alte Faustregel „80 Prozent eines gesteckten Rationalisierungsziels reichen fürs Erste“ fand ich in einer Geschichte im „Märchenbuch für Manager“ von Jürgen Fuchs bestätigt. Sie erzählt von zwei Holzfällern, die von einem Bär verfolgt werden. Sie rennen gleichzeitig los und einer der beiden wirft während des Laufens erst seinen Rucksack weg, entledigt sich kurz darauf des Anoraks und schließlich noch des dicken Pullovers. Der Zweite hält das für sinnlos und ruft resigniert: „Der Bär ist doch schneller als wir“. „Ja“, ruft der Erste und wendet sich um, „aber ich bin jetzt schneller als Du.“ Das ist’s, was ich meine: Schneller sein und einen deutlichen Vorsprung gewinnen, ja. Aber doppelt so gut wie der „Mitläufer“ muss man – auch mit Blick auf die Anstrengungen und Aufwendungen – nicht gleich sein. Wenn ich potenzielle Kunden individuell anschreibe und mein Mitbewerber das nicht macht, genügt es, dass mein Brief „gut“ ist. Wer mittels zuverlässigem Call-Center auch dann erreichbar ist, wenn bei der Konkurrenz nur ein schlecht besprochener Anrufautomat läuft, hat hier erst mal keinen Verbesserungsbedarf. Und wer zu den wenigen gehört, die regelmäßig eine Kundeninformation verschicken, während die meisten nur die Apotheker-Zeitung kennen, der muss den Umfang seiner Hauspostille nicht ständig erweitern. Es ist wie mit dem Cleveren der beiden Holzfäller: Wer einen deutlichen Vorsprung hat, der muss erst dann wieder schneller rennen, wenn ihm ein anderer zu nahe kommt. Bis dahin gilt: 80 Prozent im Topf – 100 im Kopf!
Bestens
Nach längerer Zeit mal wieder ein Seminar von „UniMal“ als Teilnehmer besucht und erneut festgestellt: Weiterbildung bei unserer Fachorganisation ist nach wie vor die beste, weil praxisnächste. Natürlich tut es gut, wenn der Referent – in diesem Fall Wolfgang Reinders, ebenso kompetent wie kurzweilig – die Richtigkeit eigener Marketing-Aktivitäten – um die ging es bei dem Seminar – bestätigt. Wichtiger aber sind die neuen Anregungen, von denen er einen ganzen Sack voll mitgebracht hatte. Die schönste für den Chef: Einen Tag im Monat ganz raus aus dem Laden und nur sich selbst Gutes tun – guten Gewissens, denn das Gehirn arbeitet ja für uns weiter. Im Gegensatz zu den meisten Golfern hat Wolfgang Reinders diesen Sport aber nicht zum Pflichtprogramm erklärt. Ein Besuch im Museum oder im Wellness-Bad erfüllt denselben Zweck, je nach Gusto halt. Was mich bestärkte: Aus Wettbewerbsvorsprung bzw. Alleinstellungsmerkmalen resultieren die Zielgruppen, nicht umgekehrt. Was ich mir vor allem merkte: Es stimmt zwar, dass der Köder dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler – aber man sollte nur in Gewässern angeln, in denen man gerne fischt. Schade, dass der Neuschnee viele der gemeldeten Teilnehmer vom Besuch dieses Seminars abhielt – Schnee von gestern war das Gebotene nämlich nicht.
Geld oder…
Hartz IV klebt den Politikern wie Pech an den Händen. Zur Frage, ob man künftig Empfängern den Mehraufwand für Kinder in Geld oder Gutschein zukommen lassen soll, können wir aus betrieblicher Sicht was beitragen: Wenn eine Gutscheinregelung stigmatisiert, weil sie unterstellt, dass ein Teil der Berechtigten nicht mit Geld umgehen kann, sind alle unsere Arbeiter und Angestellten schon lange gebrandmarkt. Denen traut der Staat nämlich nicht zu, dass sie eigenverantwortlich wirtschaften können. Sonst würde er sie ihre Beiträge zur Sozialversicherung selbst entrichten lassen.
Resonanz
Ein Helfersyndrom hab’ ich nicht. Aber wenn Leserinnen oder Leser aufgrund (m)einer Veröffentlichung mit Fragen, Anregungen oder einem Anliegen kommen, reagiere ich selbstverständlich prompt – und erfolglos. Da liest z.B. jemand, dass wir bestimmte Leistungen outsourcen und spezielle Manpower erfolgreich temporär dazukaufen. Er will Details und Adressen und ich frage per Mail für welche Bereiche bzw. Leistungen, aber es kommt keine Antwort. Vielleicht hat sich das Problem ja erledigt – für wahrscheinlich halte ich allerdings, dass es übers Alltagsgeschäft einfach wieder in Vergessenheit geraten ist. Ein anderer verspricht sich was davon, wenn er Werbemittel von uns einsetzt – und ich verspreche (weil er weit genug von uns weg ist) welche zu schicken, tue das auch und hör nie wieder was. Manchmal denke ich, die wollen nur testen, ob ich ihre Post auch wirklich lese.
P.S. Einer hat erst gar nicht gefragt, sondern unser komplettes Corporate Design (Logo, Farbe, Grafik und Slogan) einfach geklaut. Bin ja schon froh, dass er wenigstens unseren Namen durch seinen ersetzt hat.

kompakt
Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbands- geschäftsführer im Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt engagiert er sich als Marketingleiter der TREIBS Bau GmbH und schreibt exklusiv aus betrieblicher Sicht für Malerblatt-Leser.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
Heinrichstraße 9–11
60327 Frankfurt/Main
Tel.: (069) 750010-310
Fax: (069) 750010-340
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