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Mineralisch saniert: Alte Villa wird Kindertagesstätte

Alte Villa wird Kindertagesstätte
Mineralisch saniert

Eine Villa am Stadtrand von Lehrte beherbergt seit Kurzem eine Kindertagesstätte. Das beeindruckende Gebäude mit seiner vielschichtigen Historie wurde durch einen Investor vor dem Abriss bewahrt. Er ließ die Villa – unter anderem durch den Einsatz von mineralischen Produkten – denkmalgerecht sanieren.

Autorin: Carmen Franke | Fotos: Klaus Stuckert

Damit hatte sich der Investor eine Menge vorgenommen, denn die Villa befand sich in einem desolaten Zustand. „Das Mauerwerk und die Stuckprofile waren durch Feuchtigkeit beschädigt, auch die Statik war am Verrosten, sodass große Stahlträger eingebaut werden mussten“, erklärt Klaus Stuckert, Geschäftsführer des gleichnamigen Stuckateur- und Malerbetriebs, der als Handwerker mit seinem Team eine maßgebliche Rolle bei der Instandsetzung des Gebäudes spielte. Klaus Stuckert erläutert: „Wir tauschten und ergänzten Teile des Mauerwerks aus, stellten alles auf eine tragfähige Substanz und restaurierten mit Romanzement.“ Im Inneren des Gebäudes führte Bauinverstor Rolf Neumann nach Absprache mit dem Denkmalamt eine Komplettsanierung durch, ließ einen Aufzug einbauen und die Etagen barrierefrei gestalten. Die Bauteile, die denkmalpflegerisch von Bedeutung sind wie Mosaikböden, Marmortreppen, Stuckmarmor an den Wandflächen, Wandmalereien, Fensterbilder und Stuckdecken, galt es zu restaurieren oder zu konservieren. „In diese Bereiche gelangen die Kinder nur, wenn sie zur Garderobe gehen. Die Gruppenräume sind an Wand und Boden so eingerichtet, wie es auch in anderen Kindergärten üblich ist“, erläutert Rolf Neumann. Als größte Herausforderung mit viel Aufwand bezeichnet der Investor den Brandschutz, denn es wurden Fluchtwege, Brandmeldeanlagen und ein drittes Treppenhaus benötigt.

Restaurierung der Stuckfassade

Neben der Sanierung des Mauerwerks kümmerte sich die Firma Klaus Stuckert mit den beiden Geschäftsführern Klaus Stuckert und Mike Schleupner auch um die Instandsetzung der kompletten Stuck- und Putzfassade der Villa. Hier ging es darum, Stuckaturen, Trauf-, Gurt-, Sohlbank- und Faschenprofilen sowie die gesamte profilierte Bossengestaltung der Putzfassade zu konservieren, zu restaurieren und Verlorenes wieder zu ersetzen. Auch die Rekonstruktion der historischen Balustraden mit ihren Postamenten gehörte zu den Aufgaben der Firma. Ebenso entwickelte und setzte die Firma Stuckert die gebogenen Bossensteine sowie die Gurt- und Fußläufe in den gewendelten Treppenaufgängen um. „Vorgabe des Denkmalamts war, die Fassade so instand zu setzen, wie sie war. Insgesamt funktionierte die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt hervorragend“, berichtet Neumann.

Mineralischer Anstrich im System

Im Anschluss an die Stuckfassadenrestaurierung führte Stuckert mit seinem Team die gesamten Malerarbeiten im Sinne einer nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Fassadenbeschichtung durch. Dabei kam ein mineralisches Anstrichsystem der Firma Keimfarben zum Einsatz, deren Produkte insbesondere für denkmalgeschützte Gebäude prädestiniert sind. Der aus Kalk-Zement-Putz von 1892 bestehende Untergrund wurde zunächst sandgestrahlt, um dann Musterflächen mit Musterfarbkarten von Keim für die Definition der zu erzielenden Oberflächenqualitäten anzulegen. Da die Stuck- und Putzfassade im Laufe der Jahre viele Beschädigungen und Verwitterungen an der Fassadenoberfläche hinnehmen musste und die Oberflächenstruktur in großen Teilen inhomogen war, wählten die Experten zum Ausgleich einen mineralischen Schlämmanstrich, um eine bessere Oberflächenoptik zu erzielen und um feine Haarrisse zu überbrücken. Mit der Bürste trugen die Handwerker das Produkt auf. Die schlämmende, faserarmierte Grundbeschichtung auf Silikatbasis mit Reinacrylat-Zusatz und Glasfasern enthält hochwertige Füllstoffe in ausgewogenen Korngrößen und Kornformen. „Auf einigen Putzflächen, gerade auch auf den Bossensteinoberflächen, wurde ein mineralischer Feinputzhaftmörtel mit der Glättekelle aufgezogen und mit einer Latexfilzscheibe fein gefilzt. Hierdurch konnten wir eine fast identische und annähernd gleiche Oberflächenstruktur wie auf der gesamten Stuck- und Putzfläche erzielen.“ Den Abschluss des Systems bildet eine silikatische Fassadenfarbe als Grund- und Schlussanstrich.

Harmonie und Kontrast

Unter denkmalpflegerischen Aspekten entwickelte und konzipierte die Firma Klaus Stuckert mit Geschäftsführer und Diplom-Farbdesigner Mike Schleupner ebenfalls die farbige Gestaltung des Gebäudes in einem Farbkonzept. Fotografien von 1900 deuten darauf hin, dass das Gebäude damals keinen Farbanstrich besaß – vielleicht weil der Bauherr Hermann Manske, ein Zementfabrikant, mit dem Baustoff Portlandzement Materialität zur Schau stellen wollte. Vor Beginn der jüngsten Fassadensanierungsmaßnahmen jedoch waren die Fassadenflächen der Villa Nordstern in einem Gelbton gestrichen. Stuckaturen, Fensterleibungen und Gesimse bildeten in einem weißen Farbton einen Kontrast dazu. Klaus Stuckert erläutert das jetzige Farbkonzept: „Für die Fassadenflächen wählten wir als Basis einen eleganten und unaufdringlichen Gelbockerton, angelehnt an den Fassadenton der Galerie des Herrenhäuser Schlosses in Hannover. Die Stuckaturen, Gurtgesimse und Gauben wurden in einem hellen Ocker gestaltet und bilden einen sanften Kontrast zu den farbigen Flächen. Auf dem grauen Sockel mit seinen Bossen steht die Villa auf einer festen tragenden Basis. Eine intensive und satte Farbigkeit unterstützt dies. Die historischen Fotografien der Villa lassen dunkle Fenster erkennen, ein Detail, welches wir bei der Farbauswahl für die Fenster berücksichtigt haben. Die Balustrade erhielt einen Farbton im gebrochenen Weiß und fügt sich so harmonisch in das Gesamtbild des Baukörpers ein.“ Über ein Jahr inklusive einer längeren Trocknungszeit von sechs Monaten arbeitete die Firma an diesem Projekt.

Rückblick

Zementfabrikant Hermann Manske ließ die Prunkvilla 1892 am südwestlichen Stadtrand als Wohnsitz mit Portal, Freitreppe, Eingangshalle, Stuck und insgesamt 1.300 Quadratmeter Wohnfläche inmitten eines großen Parks erbauen. 1911 musste er die Villa verkaufen, danach diente sie der öffentlichen Hand rund 80 Jahre vor allem als Kinderheim. Ab 1993 stand die Villa zwei Jahrzehnte leer, die Bausubstanz litt, das Grundstück verwilderte. Unbefugte drangen in das Gebäude ein, drehten Videos und die Villa Nordstern bekam im Internet den Namen „Gruselvilla“.

Für das seit den 1980er-Jahren denkmalgeschützte Gebäude wurde zwischenzeitlich eine Abrissgenehmigung beantragt und wieder zurückgezogen. Ein vorübergehender Besitzer kümmerte sich nur um die nötigen Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen. Dies änderte sich 2018 als der erfahrene Lehrter Bauinverstor Rolf Neumann die Villa und das dazugehörige 35.000 Quadratmeter große Grundstück erwarb.

Neue Nutzung

Auf Anregung seiner Frau war es das Ziel, dem Mangel an Kindergartenplätzen in der Region entgegenzutreten und in der Villa Nordstern einer neuen Kindertagesstätte eine Heimat zu geben. Mit dem Lehrter Sportverein fand sich ein Betreiber und die Sport-Kita des Lehrter SV zog mit fünf Kindergartengruppen, drei für den Elementarbereich und zwei Krippen für die unter 3-jährigen in die Villa ein.

Mineralisch saniert: Denkmal bleibt erhalten

In dem Gebäude verfügt die Kindertagesstätte über viel Platz, verteilt auf vier Etagen. Schon allein jeder Bereich der fünf Gruppen ist mehr als 270 Quadratmeter groß und der Bewegungsraum umfasst 80 Quadratmeter. Auch in einem großzügigen Außenareal mit Spielplatz und Fußballkäfig können sich die Kleinen auf 1.500 Quadratmeter austoben. Bei seinem Vorhaben hatte Rolf Neumann sowohl die nachhaltige zukünftige Nutzung als Kindertagesstätte als auch den Erhalt des Denkmals im Blick: „Mein Ziel war es, möglichst viel Originalsubstanz zu bewahren.“


PraxisPlus

Bautafel

  • Bauherr / Planungsbüro: Rolf Neumann (www.neumann-rolf.de)
  • Verarbeiter: Klaus Stuckert GmbH & Co. KG (www.stuck-stuckert.de)
  • Eingesetzte Produkte von Keimfarben: Keim Contact-Plus Grob, Keim Turado, Keim Soldalit

Weitere Informationen
zu den Produkten:

www.keim.com



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