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Kein heißes Eisen

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Kein heißes Eisen

Beschichtungen, die Leben retten können? Die gibt es tatsächlich! Brandschutzbeschichtungen bewahren im Brandfall nicht nur Stahl-, sondern auch Holzkonstruktionen und Betonbauteile vor dem konstruktiven Versagen und damit vor dem Funktionsverlust. Ein Überblick über verschiedene Systeme.

Autorin: Susanne Sachsenmaier-Wahl | Fotos: Rudolf Hensel

Um die Rettung von Menschen und Tieren sowie die Löscharbeiten bei einem Brand zu ermöglichen, ist es wichtig, dass ein Gebäude bei Feuereinwirkung nicht frühzeitig seine Tragkraft und Stabilität verliert. Daher wird in vielen Bereichen ein baulicher Brandschutz gefordert. Immer dann, wenn die Optik erhalten bleiben soll (und eine Verkleidung deshalb nicht erwünscht ist) und dennoch Brandschutzanforderungen bei Stahl-, Holz- oder Betonbauteilen zu erfüllen sind, kommen spezielle Brandschutzbeschichtungen ins Spiel. Diese unterscheiden sich in ihrer Oberflächenoptik nicht wesentlich von anderen Farbanstrichen und sind, je nach Produkt, in vielen Farbtönen verfügbar. Darüber hinaus können Brandschutzbeschichtungen mit lebensrettenden „inneren Werten“ aufwarten. Till Waterstradt, Vertriebsleiter D/A/CH, bei Rudolf Hensel, erklärt am Beispiel einer Brandschutzbeschichtung für Stahlbauteile deren Wirkungsweise: „Die Brandschutzwirkung dieser Spezialfarben zeigt sich schon bei Temperaturen ab 200 Grad Celsius. In einem durch die Hitze ausgelösten chemischen Prozess bilden sich die Beschichtungen zu einem stabilen Kohlenstoffschaum um. Daher werden sie auch als Dämmschichtbildner bezeichnet. Die entstandene Schaumschicht hat einen gegen Wärme isolierenden Effekt und schützt so die darunterliegenden Materialien für einen in den Produktzulassungen definierten Zeitraum R30/R60/R90/R120 (Minuten). Im Brandfall können in dieser Zeit Menschen und materielle Werte aus den mit Brandschutzbeschichtungen ausgestatteten Bauwerken gerettet werden.“ (Hier finden Sie ein Video zum Aufschäumvorgang: bit.ly/3nHQru5). Die Lack- und Farbenfabrik Rudolf Hensel erkannte bereits in den 1950er-Jahren die Bedeutung des vorbeugenden baulichen Brandschutzes und setzte den Schwerpunkt ihrer Produktentwicklung auf Brandschutzbeschichtungen. Heute ist sie ein weltweit marktführender Hersteller von Beschichtungssystemen für den baulichen Brandschutz. „Die Produktpalette, welche am Firmensitz in Börnsen bei Hamburg entwickelt und hergestellt wird, umfasst Beschichtungssysteme für den Brandschutz von Stahl, Holz, Beton, Kabeln, für die Herstellung von Wand- und Deckenschotts und von feuerbeständigen Fugen“, beschreibt Waterstradt das Hensel-Brandschutzsortiment. Neben Hensel bieten auch andere Hersteller, wie z. B. Remmers oder Sika, Brandschutzbeschichtungen an.

Brandschutz für Stahl

Stahl selbst ist nicht brennbar und emittiert bei Brandeinwirkung auch keine schädlichen Gase. Warum manche Stahlkonstruktionen dennoch eine Brandschutzbeschichtung benötigen, erfahren wir von Till Waterstradt: „Stahl gerät zwar nicht in Brand, verliert aber bei Kerntemperaturen ab 500 Grad Celsius seine konstruktive Tragfestigkeit und Stahlprofile können ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen daher nicht die Anforderungen einer Brandschutzklasse erfüllen.“ Um diese wichtigen Eigenschaften erfüllen zu können, müssen bei der Brandschutzbeschichtung von Stahlbauteilen einige Punkte beachtet werden. „Brandschutzbeschichtungen werden im System als Schichtaufbau verarbeitet. Für Stahlprofile besteht dieses System aus einer vor Korrosion schützenden Grundierung, dem eigentlichen Funktionsanstrich, also dem Dämmschichtbildner, und einem nach Wunsch getönten Überzugslack/Deckanstrich“, erklärt uns Waterstradt. Der Brandschutz ist also nur gewährleistet, wenn das komplette aufeinander abgestimmte System zum Einsatz kommt. Die Grundierung oder den Überzugslack einfach wegzulassen und nur den Dämmschichtbildner zu verarbeiten, funktioniert also nicht. Umgekehrt kann auf diesen aber verzichtet werden, falls kein Brandschutz gefordert ist: „Unsere Grundbeschichtungen und Überzugslacke können unabhängig von unseren Brandschutzbeschichtungen eingesetzt werden“, sagt der Vertriebsleiter und erklärt, warum das interessant sein kann: „Dies ermöglicht den Einsatz im Bereich von Korrosionsschutzarbeiten und farbgebenden Gestaltungen.“

Um eine größtmögliche Sicherheit der Brandschutzsysteme zu gewährleisten, müssen diese geprüft sein. „Für die Verwendung in Deutschland benötigen Brandschutzsysteme eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG), die durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin ausgestellt wird. In einem System aus Eigen- und Fremdüberwachung wird die gleichbleibende Qualität der Produkte nachgewiesen“, weiß Till Waterstradt.

Nur für geschulte Fachkräfte

Doch nicht nur die Qualität des Produktes muss stimmen, damit eine Brandschutzbeschichtung ihren Zweck erfüllt. Anwender müssen die Produkte nach bestimmten Vorgaben verarbeiten. So darf die Material-, Untergrund- und Lufttemperatur während der Applikation der einzelnen Beschichtungsstoffe nicht unter plus fünf Grad Celsius und die relative Luftfeuchtigkeit nicht über 80 Prozent liegen. Gleichzeitig muss die Oberflächentemperatur der zu beschichtenden Teile während der Applikation um mindestens fünf Grad Celsius über dem Taupunkt der umgebenden Luft liegen und die zu beschichtenden Oberflächen dürfen nicht wärmer als 35 Grad Celsius sein. Wenn man diese detaillierten Vorgaben liest, wird eines schnell klar: Brandschutz ist nichts für Laien. „Das Beschichtungssystem darf nur von geschulten Fachkräften verarbeitet werden“, bestätigt uns Waterstradt. Konkret heiße das: „Um Beschichtungssystemen zu verarbeiten besteht für den Brandschutz von Stahlbauteilen und Abschottungssystemen eine Schulungspflicht.“ Darauf hat Hensel reagiert: „Wir bieten bundesweit gebietsbezogene Präsenz- und Online-Schulungen an, in denen die theoretischen Kenntnisse für eine fachgerechte Verarbeitung der Brandschutzsysteme vermittelt werden und detailliert auf die Verarbeitungs- und Wirkungsweise unserer Brandschutzsysteme eingegangen wird“, lässt uns der Vertriebsleiter wissen.
„Interessierte Fachbetriebe werden in eingehender Schulung mit den Anwendungsmöglichkeiten, der Verarbeitungs- und Wirkungsweise von Brandschutzbeschichtungen vertraut gemacht und die Teilnahme durch ein Schulungszertifikat bestätigt“, fügt er hinzu (aktuelle Schulungstermine in Ihrer Region finden Sie unter www.rudolf-hensel.de/schulungen).

Und noch etwas ist bei Stahlkonstruktionen zu beachten: die erforderliche Schichtdicke der Brandschutzbeschichtung. „Stahlprofile sind normierte Bauteile mit einem sogenannten Profilbeiwert. Dieser errechnet sich, indem der Umfang des Profils (U) durch den Querschnittswert (A) des Profils dividiert wird. Nach diesem U/A-Wert richtet sich die Auftragsmenge der Brandschutzbeschichtung. Massive Stahlprofile benötigen verständlicherweise eine geringere Schichtdicke des Brandschutzanstrichs als filigranere Konstruktionen, um die im Brandschutzkonzept geforderte Feuerwiderstandsklasse zu erreichen“, erfahren wir von Till Waterstradt. „Die Feuerwiderstandsklassen R30, R60, R90 und R120 bezeichnen die Zeitspanne in Minuten, während der die beschichtete Stahlkonstruktion im Brandfall ihre Tragfähigkeit behält.“

Warum es so wichtig ist, die oben genannten Punkte zu beachten, liegt auf der Hand. „Fehlerhaftes verarbeiten kann zum Versagen/Ablösen des Beschichtungsaufbaus innerhalb kürzester Zeit führen. Im schlimmsten Fall hält der Schutz nicht lange an und die konstruktive Tragfähigkeit ist nicht mehr gewährleistet. Das Gebäude kann einstürzen, bevor oder während die Feuerwehr Menschenleben retten und materielle Werte sichern kann“, warnt Waterstradt und ergänzt: „Die Brandschutzbeschichtung muss dementsprechend stets in einwandfreiem Zustand gehalten werden.“

Brandschutzbeschichtungen für Stahl werden in verschiedenen Ausführungen angeboten. Es gibt solche, die ausschließlich im Innenbereich (und teilweise im geschützten Außenbereich) angewendet werden dürfen (z. B.: „Hensotherm 421 KS“ (1K, wässrig) von Rudolf Hensel, „Unitherm Steel W“ (wässrig) und „Pyroplast“ (wässrig) von Sika), als auch solche, die sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich konzipiert sind (z. B.: „Hensotherm 920 KS“ (2K, wässrig) von Rudolf Hensel, „Unitherm Platinum“ (2K-Epoxy) und „Unitherm Steel S“ (lösemittelhaltig) von Sika).

Brandschutz für Holz

Der organische Baustoff Holz kommt in modernen Gebäuden immer öfter zum Einsatz. Nicht nur die Natürlichkeit des Materials, sondern auch seine Wärme und Behaglichkeit spielen dabei eine Rolle. Es besitzt zudem hervorragende statische, mechanische und bauphysikalische Eigenschaften. Neben allen diesen positiven Eigenschaften, hat Holz jedoch einen großen Nachteil: Holz ist brennbar und damit ein feuergefährdetes Baumaterial. Hat das Holz erst einmal Feuer gefangen, kann sich dieses schnell ausbreiten und weitere Bauteile in Brand setzen. Vor allem in öffentlich zugänglichen Gebäuden werden deshalb häufig Schutzmaßnahmen für Holzkonstruktionen gefordert. Brandschutzbeschichtungen für Holz verzögern sowohl die Entflammung sowie die Brandweiterleitung. „Wer eine Brandschutzbeschichtung appliziert, wertet in eine höhere Baustoffklasse bis B1 schwer entflammbar nach DIN 4102–1 bzw. bis B-s1,d0 nach DIN EN 13501–1 (SBI-Test) in Abhängigkeit des eingesetzten Brandschutzsystems auf. Dadurch lässt sich Holz auch dort verwenden, wo schwer entflammbare Baustoffe vorgeschrieben sind, wie z.B. in öffentlich zugänglichen Gebäuden, ohne dabei die Vorzüge von Holz als architektonisches Gestaltungselement einzuschränken“, informiert uns Till Waterstradt. Die Wirkungsweise entspricht weitestgehend der von Stahlbrandschutzsystemen, auch hier schäumt das Material auf und bewahrt dadurch die Holzkonstruktion während eines definierten Zeitraums vor Überhitzung, Entzündung und schließlich vor dem Verlust der konstruktiven Tragfähigkeit. Auch bei den Holzbrandschutzsystemen ist die korrekte Verarbeitung unerlässlich. „Wir empfehlen den Untergrund grundsätzlich und insbesondere vor Beginn der Arbeiten auf Eignung bzw. Haftung zu überprüfen“, merkt Waterstradt an und erläutert, worauf es dabei ankommt: „Die zu beschichtenden Flächen müssen frei von Staub, Schmutz, Fett, Wachs, Trennschichten, Leimen, Kalk und Öl sein. Altanstriche sind restlos zu entfernen. Gegebenenfalls muss man den Untergrund anschleifen und mit Holzgrund vorbehandeln, um stark saugende Untergründe und ein zu tiefes Eindringen des Dämmschichtbildners in die Holzbauteile zu vermeiden.“ Bei einigen der Brandschutzsysteme ist eine Deckbeschichtung des Dämmschichtbildners zwingend notwendig, bei anderen kann diese (z. B. aus optischen Gründen) optional aufgebracht werden. Hier sollte man in jedem Fall die jeweiligen Herstellerangaben beachten.

Auch bei den Brandschutzsystemen für Holz gibt es Produkte, die ausschließlich für den Innenbereich freigegeben sind (z. B. „Hensotherm 2 KS innen“ (erhältlich in Transparent, Weiss und Schwarz-Anthrazit) von Hensel, „Brandschutz“ und „Brandschutz-Schutzlack“ (transparent) von Remmers, „Pyroplast Wood P“ (weiß, mit Überzugslack Pyroplast Top W ist eine individuelle Farbgestaltung möglich) und „Pyroplast Wood T“ (transparent) von Sika) und solche, die auch im Außenbereich angewendet werden können (z. B. „Hensotherm 2 KS außen“ hellgrau, mit Überzugslack Hensotop SB farbig in RAL-Farbtönen oder nach individuellem Farbmuster lieferbar von Hensel).

Brandschutz für Beton

Ebenso wie Stahl brennt Beton nicht und gehört zu den Baustoffen der Klasse A. Dennoch kann es notwendig sein, Betonbauteile mit einer Brandschutzbeschichtung zu versehen. Till Waterstradt erklärt, warum: „Bei der Sanierung von Gebäuden kann es passieren, dass aufgrund einer fehlenden Betonüberdeckung die vorhandenen Stahlbetonteile ertüchtigt werden müssen, um die geforderte Feuerwiderstandsklasse zu erreichen. Insbesondere, wenn es sich um öffentlich zugängliche Bauten handelt, für die nach Bauordnung nun eine Aufrüstung im Sinne des vorbeugenden baulichen Brandschutzes gefordert wird. Eine unzureichende Armierung führt bei Betondecken zu einem nicht ausreichenden Feuerwiderstand und damit zur Forderung nach Aufrüstung.
Denn schon bei einer Temperatur ab 330 Grad Celsius dehnen sich Beton und die innenliegende Stahlarmierung unterschiedlich stark aus, was zu Abplatzungen und zum Verlust der Tragfähigkeit führen kann.“ Für den Brandschutz von Beton gibt es Beschichtungen, die prinzipiell ähnlich wie solche für Stahl und Holz funktionieren: sie bilden eine gegen Hitze isolierende Schicht aus (Beispiele für Dämmschichtbildner für Beton: „Hensotherm 820 KS“ von Hensel, „Unitherm Concrete W“ von Sika). Daneben bietet Rudolf Hensel eine weitere Produktart an. „ Bei der Sanierung in Bereichen mit einer Brandschutzanforderung und hoher Luftfeuchtigkeit wie z. B. in Schwimmbädern oder mit hoher Emissionsbelastung, wie z. B. in Tiefgaragen/Parkhäusern wird die wasserdruck- und wetterfeste Betonbrandschutzbeschichtung Hensomastik B 3000 eingesetzt“, erfahren wir von Till Waterstradt. Bei diesem Produkt handelt es sich um eine sogenannte Ablationsbeschichtung. Ablationsbeschichtungen sind Baustoffe für den baulichen Brandschutz, die bei Einwirkung hoher Temperaturen aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung wirksam werden. Dabei werden chemische und/oder physikalische Reaktionen ausgelöst, bei denen Energie verbraucht und/oder Materie freigesetzt wird. Im Gegensatz zu den dämmschichtbildenden Baustoffen expandieren sie nicht oder nur geringfügig.

Gegenüber Verkleidungen oder Putzen bringen Brandschutzbeschichtungen für Beton einige Vorteile mit sich. „Die Trockenschichtdicken der Brandschutzbeschichtungen liegen, je nach benötigter Feuerwiderstandsdauer, zwischen 0,4 mm und 3,5 mm, sind daher statisch kaum belastend und raumsparend“, erklärt Waterstradt. Und auch hinsichtlich der Farbigkeit ist der Spielraum groß: Die auf die Funktionsbeschichtungen abgestimmten Überzugslacke sind in vielen Farbtönen abtönbar.

Basiswissen zu Brandschutzbeschichtungen: bit.ly/410Dwle



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