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Treppenhaus-Historie

Eingangsbereiche zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Treppenhaus-Historie

Zweckmäßig, farblos und wenig einladend – so präsentieren sich Eingangsbereiche und Treppenhäuser heute häufig. Welch hohe Wertschätzung dem Treppenhaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuteil wurde, zeigen alte Zeitschriftenbeiträge und einige noch erhaltene Realbeispiele. Friederike Schulz stellt hier verschiedene vor.

Autorin I Fotos: Friederike Schulz

Der Eingangsbereich und das angegliederte Treppenhaus werden heute häufig rein praktisch betrachtet. Statt einer begrüßenden Form- und Farbgestaltung wird vorwiegend auf Grautöne und Weiß zurückgegriffen. Dabei sind der Eingangsbereich und das Treppenhaus die Orte, die wir täglich passieren. Sie bieten den Besuchern einen ersten Eindruck. In der zweiten Folge zum Thema Treppenhausgestaltung (die erste Folge erschien in Malerblatt 3/2023) blicken wir zurück auf Entwürfe in bedeutenden Malerzeitschriften und Ausführungen noch erhaltener Realbeispiele zwischen 1870 und 1915 und blicken etwas weiter in die progressive Zeit der Gestaltung in den 20er- und 30er- Jahren. Die Darstellungen verdeutlichen die große Wertschätzung der Treppenhausgestaltung im Beruf des Malers und Lackierers. Durch den großen Bauboom in den Städten um die Jahrhundertwende ist trotz Krieg viel Altbaubestand erhalten geblieben, der stets renoviert werden muss.

Einheitsgrau oder historisch farbig?

Betrachten wir zwei reale Beispiele aus Hamburg. In dem einen Mehrfamilienhaus wurde der Linkrusta-Sockel neuzeitlich grau mit Latexfarbe beschichtet (siehe Foto S. 54 links). In einem anderen Treppenhaus aus der gleichen Zeit wurde die an einen Vorhang anmutende erhaltene Sockelgestaltung restauriert (Foto S. 54 rechts). Das Weiß in beiden Treppenhäusern über den Sockelbereichen entspricht dem heutigen Standard, war zur Bauzeit um 1900 vermutlich aber farbig gewesen.

Beide Gründerzeitbauten wurden farblich stark verändert. Der Linoleumbelag im Beispiel mit dem grau gestrichenen Sockel wird eher rötlich gewesen sein oder die Treppenstufen aus Holz. Die Entscheidung alles in Grautönen zu halten ist rein praktisch, hat keinerlei gestalterische Relevanz. Im Beispiel mit der restaurierten Sockelgestaltung hingegen hat man sich auf einen roten Teppichbelag der Stufen geeinigt, dessen Ton sich auch in der Bemalung an der Wand wiederfindet.

Einladende Farbkompositionen

Als weitere Referenz für die hochwertige Gestaltungen dieser Zeit dient ein in Grün gehaltenes Wandmuster von Ludwig Hövemeyer aus München, das 1890 im „Zimmer- und Dekorationsmaler“ im Verlag Max Ravizza erschienen ist. Es weist in seiner Form und Farbintensität Ähnlichkeiten mit dem Sockelmuster in Hamburg auf.

Ein schönes Beispiel für eine Treppenhausgestaltung aus dem frühen 20. Jahrhundert ist auch in Leipzig zu finden. Die unrestaurierte Bemalung aus der Entstehungszeit zeigt eine schmuckvolle Gestaltung an Wand und Decke, zum Teil mit Jugendstilmotiven, und eine Sockelgestaltung in Marmorimitation. Die Bemalung besticht durch florale geschwungene Motive in Grüntönen mit Verwendung der Komplementären als Kontrast. Erstaunlich ist, dass die Malerei trotz der Verwendung von Leimfarbe und ständiger Nutzung nach über hundert Jahren so gut erhalten ist und somit ein repräsentatives Beispiel darstellt für die Farben, Materialien und die Beschichtungstechnik aus dieser Zeit.

In der Zeitschrift „Dekorative Vorbilder“ (Julius Hoffmann Verlag Stuttgart) erschienen im Jahr 1908 vier Entwürfe für eine mögliche Sockelgestaltung in Treppenhäusern mit abstrahierten Formen. Die Entstehungszeit der Mustervorlagen und der Treppenhausbemalung in Leipzig ist ähnlich. Die Entwürfe der „Dekorativen Vorbilder“ sind etwas grafischer – spannend ist aber, dass auch hier bei der Farbgebung auf den Komplementärkontrast zurückgegriffen wurde. Zwar kamen hier Lila und Gelb zur Anwendung – natürlich in abgeschwächter Form, durch Brechen der Farbtöne – aber im farbgestalterischen Ansatz besteht Ähnlichkeit zum Realbeispiel aus Leipzig.

In allen vorgestellten Entwürfen wird deutlich, wie ernst die Gestaltung von Treppenhäusern genommen wurde. Beim Betreten des Hauses fühlt man sich willkommen, es wirkt wie ein Teilbereich der einzelnen Wohnungen. Die Farbkompositionen sind einladend und trotz der verwendeten Muster nicht zu überladen.

Hoher Stellenwert der Gestaltung

Im sogenannten Ledigenheim in Hamburg – einem einfachen Wohnhaus für ledige Männer – wurden zwei Fassungen entdeckt. Die ursprüngliche Bemalung ist in der Farbgebung nicht genau rekonstruierbar. Auf erhaltenen Fotografien aus der Bauzeit sind die Muster aber klar zu erkennen und Farbreste an den Wänden weisen auf die damalige Beschichtung mit Leimfarbe um 1912 hin. Die Muster waren wenig modern und eher historisch in der Anmutung.

Beachtlich ist, dass selbst in einem Wohnhaus mit 120 Zimmern für alleinstehende Männer großer Wert auf die Gestaltung gelegt wurde, obwohl der Träger ein Bauverein war. Diese Haltung zu Farbe und Form verdeutlicht einen nachhaltigen Wunsch nach besonderer Ästhetik. Durch die Beschichtung der Wände in der Erstfassung mit Leimfarbe und die starke Frequentierung des Treppenhauses durch die vielen dort lebenden Männer kam es schon Mitte der 20er- Jahre zu einer Neufassung in Ölfarbe, die stark von der Ursprungsgestaltung abweicht. Diese Malerei ließ sich an einigen Stellen freilegen und rekonstruieren. Die Muster sind grafisch, extrem farbintensiv und sehr kontrastreich in Blau und Orangetönen gehalten (Foto auf www.malerblatt.de). Nach der Instandsetzung des Gebäudes soll eine Rekonstruktion der Erstfassung von 1912 dort wieder ihren Platz finden.

Umbruch: Die 1920er-Jahre

In den 1920er Jahren kam es zu einem Umbruch in der Farbgestaltung, wie Fachzeitungen und vor allen Dingen Musterhefte diverser kunstgewerblicher Werkstätten und Schablonenhersteller wie Theodor Kreissig aus Dresden mit den Entwürfen von Paul Mayenfisch, Kreul & Sohn bei Leipzig oder Karl Lüth in Kiel, zeigen. Drei markante Beispiele aus „Die neue Zeit“ 1929, „Dekorationen der Neuzeit“ um 1930 und „Moderne Wand und Deckendekorationen“ 1931 machen diesen Trend deutlich. Unübersehbar ist in allen gezeigten Beispielen, welche Aufmerksamkeit das Treppenhaus in dieser Zeit einnahm.

Weitere Beiträge der Autorin gibt es auf: www.malerblatt.de

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