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Farbfaschen und Fonds

Farbfaschen und Fonds
Farbe und Architektur

Farbe und Architektur
Neugestaltungen mit Farbfaschen und Fonds können Fassaden im Mietwohnungsbau optisch aufwerten. Wichtig dabei: die Auseinandersetzung mit dem Einzelfall.

Autor: Klaus Friesch | Zeichnungen: Projektarbeiten Fachschule für Gestaltung Stuttgart und Hochschule Esslingen

Farbfaschen und Fonds (Flächen an und zwischen Fenstern) sind preiswerte Gestaltungselemente für Fassaden. Als viel genutztes Werkzeug zur Gliederung finden sie häufig Anwendung bei der derzeitigen energetischen Ertüchtigung der Bauwerke des Massenwohnungsbaus der Nachkriegszeit. In der Wiederaufbauphase der 50er-Jahre entstanden in recht kurzer Zeit ganze Siedlungen in einfacher Bauform, meist als Mehrfamilienhäuser mit funktionalem Wohnraum. In den 60er- und 70er-Jahren verzeichnete der Wohnungsbau weiterhin hohe Wachstumsraten. Die Architekturformen sind nun eher davon geprägt, Anschluss an die internationale Architekturentwicklung zu finden. Dies äußert sich in größeren Dimensionen der Wohnbauten in Siedlungsgroßstrukturen. Außerdem werden modernere Bauformen bevorzugt.

Aus heutiger Sicht steht dem quantitativen Erfolg des staatlich geförderten „sozialen Wohnungsbaus“ in vielen Augen ein ästhetisches Defizit gegenüber. Mit den anstehenden Renovierungen dieser Bausubstanz wird die Diskussion über deren äußeres Erscheinungsbild geführt.

Die Möglichkeiten, mit Farbe günstige Interventionen vorzunehmen, beleuchtet exemplarisch das oben aufgeführte Beispiel eines Wohn- und Geschäftshauses Baujahr 1966. Die gewählte Farbdarstellung dient der Verdeutlichung der prinzipiellen Möglichkeiten der Fassadengliederung mit Farbfaschen auf Vorentwurfsbasis und ist nicht als abschließendes Farbkonzept zu verstehen.

Das Hauptgebäude besteht aus einem transparenten Erdgeschoss mit Geschäftsnutzung und darauf aufsetzend drei identischen Wohngeschossen. Die Stahlbetonkonstruktion zeigt so im Erdgeschoss ganz im Sinne der modernen Architektur die Möglichkeiten der freien Fassadengliederung. In den Obergeschossen wird durch die gleichförmig strenge Anordnung der recht kleinen Fenster das Serielle der Stapelung identischer Wohnebenen wiedergegeben und durch die grundrissbedingte Variation der Fensterabstände ergibt sich nach außen hin eine Gruppenwirkung von je neun bzw. sechs Fenstern zu einer optischen Einheit über drei Stockwerke. Die hier dargestellte Nordseite mit der sehr strengen Fenstereinteilung einer Lochfassade ist gleichzeitig die Straßenseite. Auf der Südseite befinden sich größere Öffnungen und Loggien. Das Treppenhaus tritt als vertikale Wandscheibe aus der Fassadenebene hervor und gliedert so die Fläche in zwei Teile.

Vorentwurf 1 greift die Ausführungsidee der Bauzeit auf. Gegenüber der überwiegend in Weiß gehaltenen Ursprungsfarbigkeit werden die architektonischen Großformen Sockelgeschoss/Wandfläche und Wandscheibe durch eine unterschiedliche Farbigkeit noch stärker betont.

Vorentwurf 2 bespielt das Thema Wiederholung. Durch Fonds werden Fenster zu bandförmigen Elementen zusammengefasst und entsprechend der liegenden Gesamtform des Bauwerks ergeben sich so auch liegende horizontale Gruppierungen.

Vorentwurf 3 variiert das Thema von 2 und nimmt durch einen Farbwechsel die Strenge einfacher Wiederholung.

Vorentwurf 4 steigert durch die Verknüpfung mit den anderen Fassadenseiten das Grundthema Band und suggeriert nun anstelle der ursprünglichen Lochfassade Fensterbänder.

Vorentwurf 5 spielt die Idee einer Auflösung der strengen Grundordnung weiter und bringt zusätzlich zum Thema Wechsel von Beispiel 3 noch die Rhythmisierung ein. Dies geschieht auf zwei Ebenen. Zum einen ergibt sich ein Rhythmus durch Formwechsel der Fenstergruppierungen und zum anderen mittels unterschiedlicher Farbigkeit.

Vorentwurf 6 stellt die Antithese zur Ursprungsaussage des Bauwerks aus dem Jahr 1966 dar. Dies steigert die Rhythmisierung durch ungleich stark ausgeformte und dann noch asymmetrisch gesetzte Faschen/Fonds um einzelne Fenster, die scheinbar beliebig ihre Anordnung in Bezug zu den streng geordneten Fensteröffnungen wechseln. Das Bauwerk erhält durch die gewählte Farbigkeit eine andere Erscheinung.

Deutlich wird bei diesem alltäglichen Beispiel der enorm starke Einfluss von Farbigkeit auf die Wirkung von Architektur. Was hier zunächst nur wie ein lockeres Spiel mit Farben aussieht, bedeutet in der Wirklichkeit ein hohes Maß an Verantwortung der Farbgestaltung gegenüber der Aufgabe. Ohne eine städtebauliche und architektonische Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, unter der grundsätzlichen Fragestellung inwieweit Bauwerke optisch verändert werden dürfen, gelingt kein wertschätzender Umgang mit historischer Bausubstanz und auch Gebäuden der jüngeren Vergangenheit.

Nicht zu vergessen: Gebäude unterliegen dem Urheberrecht und ArchitektInnen können demnach gegen die Veränderung eigener Pläne und Bauwerke vorgehen. Dies gilt bis 70 Jahre nach dem Tod – Rechte gehen auf Erben über. Einschränkend gilt, dass das Werk eine ausreichende schöpferische Individualität aufzuweisen hat. Bei seriell geplanten und gebauten Massenwohnungsbauten ist dies eher nicht der Fall bzw. in den Architektenverträgen wurden oft entsprechende Ausnahmeklauseln aufgeführt. Jedoch ist der Einzelfall zu prüfen.

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