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Gegen die Regeln

Unverdünnt aufgetragen Mattes und Glänzendes aus dem Malerhandwerk
Gegen die Regeln

Werner Schledt

Nicht nur im Zusammenhang mit der Energetischen Modernisierung hat man das Wort Nachhaltigkeit so lange strapaziert, bis es schließlich seine Wirkung verlor. Und wie immer, wenn ein Begriff ausgedient hat, ersetzt man ihn nach kurzer Sprachlosigkeit durch ein neues Wort. Nach einem Schweizer Innovationsberater heißt es jetzt „enkeltauglich“.
Im Internet könne man besser einkaufen, wird behauptet. Warum, erklärt man damit, dass der elektronische Einkauf nicht so frustrierend sei wie der im Laden. Dort sei das Anprobieren oft ernüchternd, beispielsweise, weil der Verkäufer viel zu früh fragt, ob einem die Hose passt – und die Ablehnung eines zu teuren Angebotes manchen peinlich. Zu Hause dagegen könne man in Ruhe stöbern, bei Nichtgefallen alles problemlos zurückschicken und außerdem den Preis erst mal hintanstellen.
Heimkino
Zu Hause in Ruhe probieren, Unpassendes verwerfen, nur nehmen, was wirklich „sitzt“, das könnten auch Malerkunden. Wir müssten nur aus den hervorragenden Gestaltungsprogrammen der namhaften Hersteller mehr machen, zum Beispiel ein Paket „Verkaufsoffener Sonntag auf dem Sofa“ für Spaß am Einkauf im Internet schnüren, bei dem nicht gleich das Preisschild am Angebot baumelt.
Szenario: Die Familie hat die schriftliche Einladung zum „Verkaufsoffenen Sonntag“ angenommen, sitzt bei Kaffee und Kuchen (die vielleicht bei der Einladung mitgeliefert wurden), auf dem Sofa und spielt „Grau raus mit der Maus“. Tauchen bei der Gestaltung von Raum oder Fassade Fragen auf, beispielsweise zu Techniken, Farben oder Tapeten, steht natürlich an diesem Tag via Hotline ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung. Einfach mal machen. Vielleicht gibt’s dafür schon Vorbilder. Dann einfach melden!
Noch dazu Torsten Toeller, Gründer von „Fressnapf“: „Brich die Spielregeln deiner Branche und erfinde sie ständig neu. Sei frech, sei unkonventionell, geh den ungewöhnlichen Weg …“
Das Kunstwerk von Remy Zaugg (*1943) besteht aus einem Satz in weißen Großbuchstaben auf grünem Grund: UND, WENN ICH EINEN UNREIFEN APFEL ESSE, DAS GIFTIGE GRÜN NICHT MEHR VORHANDEN WÄRE. Ich hab’s probiert – aber der giftgrüne Anstrich an der Fassade in meiner Nachbarschaft ist immer noch vorhanden. Also muss ich wohl weiter in den sauren Apfel beißen. Zugegeben, der schmeckt mir gar nicht.
Standardprodukte?
Der Erfolg von Andy Warhol, dessen „Suppendosen“ zu einem Schlüsselwerk der Kunst des 20. Jh. geworden sind, wird vor allem damit begründet, dass er die Mutation des modernen Menschen zum Konsumenten für standardisierte Massenprodukte dargestellt hat: Die Angebote sind identisch, jeder kriegt das Gleiche, alles geht in Serie, alles „eine Suppe“ – wie die Reihenhäuser, bis ins Detail zum Verwechseln so ähnlich, dass sich die Kinder verlaufen. Wir Maler können mit individueller Gestaltung dagegenhalten. Nutzen wir diese Chance?
„Rabat(t) kenne ich nur als Stadt in Marokko.“ Ein Kollege behauptet fest, ich hätte das mal gesagt. Wer weiß. Aber es fiel mir sofort wieder ein, als ein Meister dem Kunden „Rabatt bzw. Skonto“ anbot. Als ob es dasselbe wäre. Merke: Beides macht’s für den Kunden billiger – aber nur bei Skonto kriegen wir schneller unser Geld. Sonderbar, dass das nicht wenige Kollegen immer mal wieder durcheinander bringen.
Niemand soll in der Schule mehr sitzen bleiben. Das fordern nicht nur Bildungspolitiker, sondern inzwischen auch Mediziner. Wir sitzen uns buchstäblich zu Tode sagen die. Wer zuviel sitzt, gefährdet die Gesundheit und riskiert einen frühen Tod. Das gilt besonders für Leute mit einem Bürojob. Die vom Bau sind da im Vorteil. Weil jede Treppenstufe, jede Bewegung, jeder zurückgelegte Meter der Gesundheit dient, sind Bewegung und Sport quasi in unseren Beruf integriert. „Fit-halter statt Feder-halter“ könnte man eine Nachwuchswerbung überschreiben. Schade eigentlich, dass solche Argumente die Jungen nicht immer überzeugen.
Dem Kunden grundsätzlich zwei alternative Leistungspositionen anzubieten, das ist weder neu, noch ist es unredlich. Wie bei der Weinkarte wird er wahrscheinlich die bessere wählen. Wer das nicht probiert hat eine Chance vertan.
Lockvogel
Ausgebuffte Verkaufsprofis haben aber noch mehr drauf. Psychologisch geschickt und geschult setzen sie den sogenannten „Decoy-Effekt“ ein, der sich auch mit „Lockvogel“ übersetzen lässt. Dabei wird der Kunde bei der Entscheidung für eine von zwei Alternativen durch eine willkürliche dritte, die schlechter als eine der beiden ist, geblendet und zur Entscheidung für das Produkt verführt, das in allen Belangen besser als der „Lockvogel“, aber nicht etwa als die zweite Alternative ist. Das alles klingt ein bisschen kompliziert, wird aber an einem Beispiel ganz transparent und ist auch leicht verständlich:
Einem Kunden fällt die Entscheidung zwischen zwei Paar Winterschuhen nicht leicht. Beide aus schwarzem Leder, beide mit profilierter Sohle, beide pelzgefüttert, ein Paar glänzend, das andere matt. Der Verkäufer bringt den „Lockvogel“, ein drittes Paar: Kunstleder, glatte Sohle, kunststoffgefüttert und glänzend. Die Dominanz der Alternative, die bevorzugt verkauft werden soll, gegenüber dem Lockvogel führt zur Entscheidung: Der Kunde kauft die glänzenden Lederschuhe, weil die in allen Belangen besser sind als der „Lockvogel“ – aber nicht als die matten Lederschuhe. Die Methode wurde von einer überregionalen Zeitung in einer Serie „Denkfehler, die uns Geld kosten!“ beschrieben und erläutert – aus Verbrauchersicht. Verkäufer sehen das anders.
Dank hessischer Initiativen nehmen nun doch auch deutsche Maler und Lackierer an der Berufsweltmeisterschaft „WordSkills“ teil, die in diesem Jahr in Leipzig stattfindet. Geschäftsführerin Inge Totzke vom Landesinnungsverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz Hessen sah hier eine klasse Chance, fürs Malerhandwerk in Deutschland zu werben. Hessen vorn. Wie beim Länderfinanzausgleich – aber ohne zu klagen.
Dank hessischer Initiative nehmen nun doch auch deutsche Maler an der Berufsweltmeisterschaft „WordSkills“ teil.
Brich die Spielregeln deiner Branche und erfinde sie ständig neu.
Sei frech, unkonventionell, geh den ungewöhnlichen Weg.

PRAXISPLUS

Relevantes für die Branche entdecken, Anstöße geben, manche Dinge auf die Schippe nehmen – genau das macht Werner Schledt in seiner Kolumne „Unverdünnt aufgetragen“. Der Autor war jahrzehntelang Betriebsberater und Verbandsgeschäftsführer im hessischen Maler- und Lackiererhandwerk. Jetzt ist er Geschäftsführer der Schledt & Schledt GmbH.
Werner Schledt
TREIBS Bau GmbH
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